Nachweis der Amtsannahme: Formerfordernisse für Verfügungsberechtigung einer Testamentsvollstreckerin

Im Zuge der Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft beantragte ein beurkundender Notar die Änderung des Grundbuchs. Zuvor war die Enkelin der Erblasserin im Rahmen eines notariellen Testaments zur Testamentsvollstreckerin ernannt worden. Vor dem Oberlandesgericht München (OLG) ging es daher um die Frage, welcher Nachweis durch die Testamentsvollstreckerin erbracht werden müsse, um deren Verfügungsbefugnis über eine Immobilie als Nachlassgegenstand nachzuweisen.

Im Zuge der Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft beantragte ein beurkundender Notar die Änderung des Grundbuchs. Zuvor war die Enkelin der Erblasserin im Rahmen eines notariellen Testaments zur Testamentsvollstreckerin ernannt worden. Vor dem Oberlandesgericht München (OLG) ging es daher um die Frage, welcher Nachweis durch die Testamentsvollstreckerin erbracht werden müsse, um deren Verfügungsbefugnis über eine Immobilie als Nachlassgegenstand nachzuweisen.

Mit Schreiben vom 28.05.2024 beantragte der Notar beim Grundbuchamt den Vollzug der Eigentumsumschreibung. Beigefügt waren unter anderem eine beglaubigte Abschrift der Niederschrift des Nachlassgerichts über die Eröffnung der genannten Testamente sowie eine Abschrift der mit einem Eingangsstempel der Justizbehörden versehenen Erklärung der Testamentsvollstreckerin, dass sie das Amt annehme. Das Grundbuchamt lehnte die Eintragung von Eigentumsrechten im Grundbuch ab, weil es Zweifel an der ausreichenden Form des Nachweises der Amtsannahme der Testamentsvollstreckerin gab.

Das OLG entschied jedoch, dass entgegen der Annahme des Grundbuchamts die Verfügungsbefugnis der Testamentsvollstreckerin durch Vorlage der Verfügung von Todes wegen (hier das Testament) und Niederschrift über deren Eröffnung durchaus nachgewiesen werden könne. Die Annahme eines Testamentsvollstreckeramts müsse zudem durch eine Bescheinigung des Nachlassgerichts, eine öffentlich beglaubigte Annahmeerklärung oder durch eine Niederschrift des Nachlassgerichts nachgewiesen werden. Die im konkreten Fall vorgelegte Annahmebescheinigung war nach Ansicht des OLG hierfür ausreichend, da sie zum einen die Erklärung der Annahme sowie zum Zweiten auch die Personalien der Testamentsvollstreckerin beinhaltete und von einem Rechtspfleger ausgestellt war.

Hinweis: Eine privatschriftliche Erklärung kann im Hinblick auf die Formerfordernisse nicht zum Nachweis der Amtsannahme eines Testamentsvollstreckers ausreichen.


Quelle: OLG München, Beschl. v. 24.09.2024 - 34 Wx 218/24 e
zum Thema: Erbrecht

(aus: Ausgabe 12/2024)

Gewaltschutz: WhatsApp-Statusmeldung ist noch keine Kontaktaufnahme

Über das Gewaltschutzgesetz (GewSchG) lassen sich Annäherungsverbote und Kontaktverbote erwirken. Aber was genau als Kontaktaufnahme gilt, ist besonders in unseren kommunikativ durchtechnisierten Zeiten oft nicht einfach zu bewerten. Genau dann müssen eben auch die Gerichte entscheiden, so wie das Oberlandesgericht Hamburg (OLG).

Über das Gewaltschutzgesetz (GewSchG) lassen sich Annäherungsverbote und Kontaktverbote erwirken. Aber was genau als Kontaktaufnahme gilt, ist besonders in unseren kommunikativ durchtechnisierten Zeiten oft nicht einfach zu bewerten. Genau dann müssen eben auch die Gerichte entscheiden, so wie das Oberlandesgericht Hamburg (OLG).

Die Rechtsanwältin einer Ehefrau hatte deren Ehemann zur Auskunft über seine Vermögensverhältnisse aufgefordert, um den Unterhaltsanspruch der Frau zu berechnen. Eine Auskunft erhielt sie nicht, stattdessen aber übelste und äußerst obszöne Beleidigungen per Mail. Daher erwirkte sie eine Anordnung nach § 1 GewSchG gegen den Ehemann, mit der ihm untersagt wurde, in irgendeiner Form Kontakt zur Rechtsanwältin aufzunehmen, sie zu bedrohen, zu beleidigen, zu verletzen oder sonst körperlich zu misshandeln. Als die Rechtsanwältin ihn später zur Bezahlung einer Forderung aufforderte, zahlte er nicht. In seinem WhatsApp-Status beschimpfte er die Anwältin kurz darauf aber als "korrupte Anwältin" und sparte dabei auch nicht an Beleidigungen seiner Exfrau. Die Juristin hielt dies für einen Verstoß gegen das GewSchG und wollte ein Ordnungsmittel gegen den Ehemann erwirken.

Damit scheiterte sie aber. Das OLG sah in der WhatsApp-Statusmeldung keine Kontaktaufnahme. Zwar werde die Rechtsanwältin angesprochen, eine Kontaktaufnahme setze aber eine aktive Handlung voraus, nicht nur eine bloße Statusmeldung.

Hinweis: Wurden Annäherungsverbote und Kontaktverbote erwirkt, sollte man trotz dieser Entscheidung auch Statusmeldungen, in denen man angesprochen wird, melden. Auch wenn diese noch keine Kontaktaufnahme sind, können sie doch der Anfang einer neuen Eskalation sein. Man tut gut daran, Schutzmaßnahmen zu verschärfen oder eine neue Beratung in Anspruch zu nehmen, was man in solchen Fällen machen kann. Im Status kann zum Beispiel ja auch eine Beleidigung enthalten sein, die neue rechtliche Anordnungen rechtfertigen kann.


Quelle: OLG Hamburg, Urt. v. 08.10.2024 - 12 WF 87/24
zum Thema: Familienrecht

(aus: Ausgabe 12/2024)

Bestimmtheitsgebot: Beschwerdeanträge müssen klar bestimmt sein

Wer sich durch eine Gerichtsentscheidung beschwert fühlt, kann Rechtsbeschwerde gegen diese Entscheidung oder einen Teil der Entscheidung einlegen. Hierzu muss man aber ganz genau benennen, im welchem Umfang man sich beschwert fühlt und mit welchem Ziel die angegriffene Entscheidung angefochten werden soll. Unklar war im folgenden Fall vor dem Bundesgerichtshof (BGH), ob der Beschwerte dies im ausreichenden Umfang getan hatte.

Wer sich durch eine Gerichtsentscheidung beschwert fühlt, kann Rechtsbeschwerde gegen diese Entscheidung oder einen Teil der Entscheidung einlegen. Hierzu muss man aber ganz genau benennen, im welchem Umfang man sich beschwert fühlt und mit welchem Ziel die angegriffene Entscheidung angefochten werden soll. Unklar war im folgenden Fall vor dem Bundesgerichtshof (BGH), ob der Beschwerte dies im ausreichenden Umfang getan hatte.

Im Jahr 1996 hatte ein Paar durch formlose Erklärung in Ägypten eine sogenannte "Orfi-Ehe", auch "Urfi-Ehe" genannt, geschlossen. 1998 schloss das Paar vor einem Notar im ägyptischen Alexandria schließlich noch die offizielle Ehe mit Ehevertrag. Der Mann war seinerzeit ägyptischer Staatsbürger, die Frau deutsche Staatsbürgerin. Später ließ sich das Paar scheiden. Im Verfahren setzte der Mann eine Auskunftserteilung zur Berechnung des Unterhalts gegen die Frau durch. Nach Auskunftserteilung bezifferte er seinen Antrag aber nicht. Vielmehr beantragte er, dass das Amtsgericht vorab entscheiden soll, ob der Zugewinnausgleich grundsätzlich nach deutschem Recht durchzuführen ist. Der Antrag auf Zugewinnausgleich wurde zurückgewiesen, weil die Beteiligten im Ehevertrag eine Rechtswahl zugunsten des "islamischen Rechts" getroffen hätten. Hiergegen legte der Mann Beschwerde ein, die jedoch als unbestimmt zurückgewiesen wurde.

Der BGH war hier jedoch anderer Meinung. Denn nach § 117 Abs. 1 Satz 1 Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit muss der Beschwerdeführer zur Begründung seiner Beschwerde einen bestimmten Sachantrag stellen und diesen damit begründen, sich eindeutig über Umfang und Ziel seines Rechtsmittels zu erklären. Und diesen Vorgaben hatte der Mann hier in Augen des BGH-Senats entsprochen.

Hinweis: Denken Sie bei Ihrer Beschwerde an die W-Fragen: Was beschwert Sie? Warum beschwert es Sie? In welchem Umfang beschwert es Sie? Wie und in welchem Umfang soll erreicht werden, dass diese Beschwer wegfällt? Wenn Sie diese Fragen in Ihrem Antrag beantworten können, sollte dieser bestimmt genug sein.


Quelle: BGH, Beschl. v. 14.08.2024 - XII ZB 386/23
zum Thema: Familienrecht

(aus: Ausgabe 12/2024)

BAG zu Datenmissbrauch: Subjektiv empfundener Kontrollverlust rechtfertigt noch keinen Ersatzanspruch von Arbeitnehmern

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat sich mit der Frage auseinandergesetzt, wann ein mutmaßlicher Datenmissbrauch durch den Arbeitgeber zu einem immateriellen Schadensersatz führen kann. Ausschlaggebend war das Auseinanderhalten subjektiv empfundener Befürchtungen von - wie immer gerichtlich relevanten - nachweisbaren Schäden. Denn nur solche können auch ersetzt werden, selbst wenn sie rein immateriell sind.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat sich mit der Frage auseinandergesetzt, wann ein mutmaßlicher Datenmissbrauch durch den Arbeitgeber zu einem immateriellen Schadensersatz führen kann. Ausschlaggebend war das Auseinanderhalten subjektiv empfundener Befürchtungen von - wie immer gerichtlich relevanten - nachweisbaren Schäden. Denn nur solche können auch ersetzt werden, selbst wenn sie rein immateriell sind.

Das Arbeitsverhältnis der Parteien bestand seit dem Jahr 2014. Im Jahr 2020 fanden erfolglose Gespräch über die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses statt. Daraufhin verlangte die Arbeitnehmerin Auskunft über die Verarbeitung personenbezogener Daten nach Art. 15 Abs. 1 Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) sowie eine Kopie dieser Daten nach Art. 15 Abs. 3 DSGVO. Dies lehnte die Arbeitgeberin wie folgt ab: "Mit Ihrem Auskunftsverlangen beeindrucken Sie niemanden. Bitte klagen Sie den Anspruch ein, wenn Ihre Mandantin meint, das Arbeitsverhältnis auf diese Weise fortsetzen zu müssen." Daraufhin kündigte die Arbeitnehmerin das Arbeitsverhältnis und verlangte nun durch eine Klage wegen eines Verstoßes gegen die DSGVO auf der Grundlage von Art. 82 Abs. 1 DSGVO ein Schmerzensgeld von mindestens 5.000 EUR. Die Arbeitgeberin habe die Auskunft vorsätzlich und böswillig verweigert. Sie hatte behauptet, wegen der Verweigerung der Auskunft keinerlei Möglichkeit der Überprüfung der Datenverarbeitung gehabt zu haben. Dieser Kontrollverlust sei spürbar und erheblich.

Die Arbeitnehmerin erhielt jedoch kein Geld, da sie nach Ansicht des BAG keinen Schaden dargelegt hatte. Das Erfordernis eines Schadens und der entsprechenden Darlegungslast ist durch die jüngsten Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs hinreichend geklärt. Danach geht aus dem Wortlaut des Art. 82 Abs. 1 DSGVO klar hervor, dass das Vorliegen eines Schadens wesentliche Voraussetzung ist. Das bloße Berufen auf eine bestimmte Gefühlslage reiche hingegen nicht aus. Die Frau hatte zwar ihre aus Unkenntnis der Datenverarbeitung resultierenden Befürchtungen zum Ausdruck gebracht; solche Befürchtungen liegen bei einer nicht erteilten oder eben auch nur unvollständig erteilten Auskunft jedoch in der Natur der Sache. Für die Darlegung eines Schadens reiche die Hervorhebung besonderer Spannungen mit dem Auskunftsverpflichteten ebenfalls nicht aus.

Hinweis: Wer als Arbeitnehmer nach einem Datenmissbrauch also Schadensersatz erhalten möchte, hat umfangreich darzulegen, worin der Schaden besteht. Dazu können natürlich auch ärztliche Atteste sehr nützlich sein.


Quelle: BAG, Urt. v. 20.06.2024 - 8 AZR 124/23
zum Thema: Arbeitsrecht

(aus: Ausgabe 12/2024)

Altersfreizeit von Teilzeitbeschäftigten: Nur sachliche Gründe können unterschiedliche Behandlung rechtfertigen

Teilzeitbeschäftigte dürfen Vollzeitkräften gegenüber nicht diskriminiert werden - das steht schon im Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG). Was das für die sogenannte Altersfreizeit bedeutet, hat das Bundesarbeitsgericht auf die Klage einer Arbeitnehmerin hin kürzlich entschieden.

Teilzeitbeschäftigte dürfen Vollzeitkräften gegenüber nicht diskriminiert werden - das steht schon im Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG). Was das für die sogenannte Altersfreizeit bedeutet, hat das Bundesarbeitsgericht auf die Klage einer Arbeitnehmerin hin kürzlich entschieden.

Die Arbeitnehmerin war als Produktionshelferin in Teilzeit mit 20 Stunden pro Woche beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fand ein Tarifvertrag Anwendung, in dem unter dem Punkt "Altersfreizeit" geregelt war, dass Arbeitnehmer, die das 58. Lebensjahr vollendet haben, eine Altersfreizeit von zwei Stunden pro Woche erhalten. Diese Regelungen würden allerdings nicht für Teilzeitbeschäftigte oder Arbeitnehmer in Kurzarbeit gelten. Nach Vollendung des 58. Lebensjahres verlangte die Arbeitnehmerin von der Arbeitgeberin dennoch die tarifliche Altersfreizeit von einer Stunde wöchentlich und klagte den Anspruch erfolgreich ein.

Ein in Teilzeit beschäftigter Arbeitnehmer darf nach § 4 Abs. 1 Satz 1 TzBfG wegen der Teilzeitarbeit nicht schlechter behandelt werden als ein vergleichbarer in Vollzeit beschäftigter Arbeitnehmer - es sei denn, dass sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. Hier aber wurden Teilzeitbeschäftigte wegen der Teilzeitarbeit ungleich behandelt, da die Dauer der Arbeitszeit das Kriterium darstellte, an das die Differenzierung hinsichtlich unterschiedlicher Arbeitsbedingungen anknüpfte. Die Benachteiligung wegen der Teilzeittätigkeit war auch nicht durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt. Es gibt keinen allgemeinen Erfahrungssatz, der die Annahme rechtfertigen könnte, für Arbeitnehmer ab Vollendung des 58. Lebensjahres bestehe eine qualitative Belastung erst ab einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 38 Stunden.

Hinweis: Wenn ein Arbeitnehmer sich diskriminiert fühlt, sollte er möglichst viele Indizien für diese Diskriminierung sammeln und notieren. Ereignen sich die Diskriminierungen über einen längeren Zeitraum, ist das Führen eines Tagebuchs wichtig.


Quelle: BAG, Urt. v. 09.07.2024 - 9 AZR 296/20
zum Thema: Arbeitsrecht

(aus: Ausgabe 12/2024)

Folgenreiche Feldarbeiten: Auch wenig befahrene Straße muss bei starker Verunreinigung gesäubert werden

Wer Angst hat, sich die Hände schmutzig zu machen, sollte von Feldarbeiten absehen. Und dass man selbst nach verrichteter Arbeit Dreck nicht Dreck sein und einfach da belassen sollte, wo er angefallen ist, zeigt das folgende Urteil. Gefällt hat es das Landgericht Flensburg (LG) bei der Bewertung, ob es einem Mülllasterfahrer anzulasten war, dass er in der Kurve von einer verschmutzten Straße abkam.

Wer Angst hat, sich die Hände schmutzig zu machen, sollte von Feldarbeiten absehen. Und dass man selbst nach verrichteter Arbeit Dreck nicht Dreck sein und einfach da belassen sollte, wo er angefallen ist, zeigt das folgende Urteil. Gefällt hat es das Landgericht Flensburg (LG) bei der Bewertung, ob es einem Mülllasterfahrer anzulasten war, dass er in der Kurve von einer verschmutzten Straße abkam.

Der Schaden des in den Graben verunfallten Mülllasters wurde zunächst über die Kaskoversicherung abgewickelt. Die Unfalluntersuchung ergab, dass der Lkw deshalb verunfallte, weil die Straße drei Tage zuvor bei Maishäckselarbeiten stark verschmutzt, danach aber nicht gereinigt worden war und sich stattdessen eine "schmierige Kleieschicht" gebildet hatte. Auf dieser kam der Mülltransporter ins Rutschen. Die Kaskoversicherung forderte daher Regress von der Haftpflichtversicherung des Maishäckslers. Diese wies den Anspruch jedoch zurück. Die Straße sei nicht derartig verschmutzt gewesen, es läge ein Fahrfehler des Lkw-Fahrers vor. Außerdem habe es sich um einen untergeordneten Wirtschaftsweg gehandelt.

Das LG gab jedoch der Kaskoversicherung recht. Zum einen bestehe laut Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) die Pflicht, Straßen von starken Verschmutzungen zu reinigen, um eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer auszuschließen (§ 32 StVO). Zum anderen sei nicht erkennbar gewesen, dass es sich um einen Wirtschaftsweg handeln sollte. Entscheidend hierfür sei entweder eine eindeutige Beschilderung oder der offensichtliche optische Eindruck. Hier aber war der Weg vier Meter breit und führte an mehreren Wohnhäusern vorbei. Es war daher von den normalen Verkehrssicherungspflichten auszugehen. Die erhebliche Verschmutzung konnte wiederum nachgewiesen werden, so dass der Versicherer aus dem Aspekt der Verkehrssicherungspflichtverletzung haftet.

Hinweis: Bei der Beurteilung des Charakters einer Straße kommt es nach höchstrichterlicher Rechtsprechung allein auf den "wirklichen Charakter" und nicht auf sonstige Kriterien an, also zum Beispiel nicht auf seine katastermäßige Erfassung oder die öffentlich-rechtliche Widmung. Es kommt maßgeblich darauf an, ob eine Straße als Feld- oder Waldweg "für jeden aufmerksamen Benutzer", auch wenn er nicht ortskundig ist, deutlich als solcher in Erscheinung tritt. Dies war hier nicht der Fall. Die Beseitigungspflicht und Pflicht zur Kenntlichmachung von Verschmutzungen richtet sich gemäß § 32 StVO an "jedermann", das heißt an Verkehrsteilnehmer und an Nichtverkehrsteilnehmer. Zweck der Norm ist der umfassende Schutz des öffentlichen Verkehrs vor Verkehrsbeeinträchtigungen.


Quelle: LG Flensburg, Urt. v. 10.05.2024 - 12 O 71/23
zum Thema: Verkehrsrecht

(aus: Ausgabe 12/2024)

Haftung nach Steinschlag: Verschuldensunabhängige Regelung in Mietwagen-AGB führt zu Unwirksamkeit der Klausel

Wer sich ein Auto leiht, muss für selbstverschuldete Schäden aufkommen. Was im Privaten Ehrensache ist, wird im gewerblichen Leihbetrieb schriftlich geregelt. Dass aber nicht alles "bleibt", was sprichwörtlich geschrieben und unterschrieben wurde, zeigt der Fall des Amtsgerichts München (AG). Denn wie - bitteschön - sollte ein noch so vorsichtiger Autofahrer auch verhindern, dass die Windschutzscheibe seines Gefährts von einem Stein getroffen wird?

Wer sich ein Auto leiht, muss für selbstverschuldete Schäden aufkommen. Was im Privaten Ehrensache ist, wird im gewerblichen Leihbetrieb schriftlich geregelt. Dass aber nicht alles "bleibt", was sprichwörtlich geschrieben und unterschrieben wurde, zeigt der Fall des Amtsgerichts München (AG). Denn wie - bitteschön - sollte ein noch so vorsichtiger Autofahrer auch verhindern, dass die Windschutzscheibe seines Gefährts von einem Stein getroffen wird?

Ein Verbraucher mietete bei einer Autovermietung einen Tesla. Laut den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) beträgt der Selbstbehalt pro Teil- und Vollkaskoschaden 500 EUR. Während der Mietdauer entstand schließlich durch einen Steinschlag ein Schaden, der repariert werden musste. Daraufhin belastete die Autovermietung die Kreditkarte des Kunden mit 500 EUR. Mit der Klage forderte der Kunde die Rückerstattung dieses Betrags.

Das AG gab der Klage statt, da kein Rechtsgrund für die Abbuchung vorlag. Die Autovermietung habe keinen Anspruch auf Schadensersatz, da der eingetretene Schaden nicht durch den Kläger zu vertreten war. Zu derartigen Schäden käme es häufig durch Aufschleudern kleinster Steinchen auf der Fahrbahn - und zwar oft, ohne dass dies vom Fahrer überhaupt bemerkt und von diesem somit auch nicht vermieden werden könnte. Der Mieter kann daher das Risiko derartiger Schäden ebenso wenig beherrschen wie der Vermieter. Kein Schadensersatzanspruch bestehe aufgrund der im Mietvertrag enthaltenen AGB-Klausel: "Selbstbehalt pro Teil- und Vollkasko-Schadensfall 500 EUR". Denn eine derartige verschuldensunabhängige Regelung weiche von den mietrechtlichen Grundsätzen des Bürgerlichen Gesetzbuchs ab. Die Regelung einer verschuldensunabhängigen Haftung innerhalb der einseitig gestellten AGB führt allerdings ohne Vereinbarung eines Nachteilsausgleichs für den Mieter oder sonstige entgegenstehende höherrangige Interessen des Vermieters zu einer Unwirksamkeit der Klausel. Mieter haften grundsätzlich nur für Schäden, die sie selbst verschuldet haben.

Hinweis: Für Schäden während der Mietzeit haftet der Mieter nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich nicht verschuldensunabhängig - auch nicht im Rahmen einer vereinbarten Kaskoselbstbeteiligung. Gerade bei Steinschlagschäden besteht kein Anspruch des Vermieters gegen den Mieter.


Quelle: AG München, Urt. v. 29.04.2024 - 231 C 10607/24
zum Thema: Verkehrsrecht

(aus: Ausgabe 12/2024)

Nachlasszeugnis verweigert: Keine familiengerichtliche Genehmigung für Ausschlagung eines werthaltigen Nachlasses nötig

Während Eltern für sich selbst eine Erbschaft jederzeit ausschlagen können (unter anderem bei Nachlassüberschuldung), bedarf eine Ausschlagung für die eigenen minderjährigen Kinder in bestimmten Fällen der Genehmigung durch das Familiengericht. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn nicht beide Elternteile gleichzeitig sorgeberechtigt sind. Im Fall, den der Bundesgerichtshof (BGH) zu entscheiden hatte, handelte es sich aber um einen werthaltigen Nachlass.

Während Eltern für sich selbst eine Erbschaft jederzeit ausschlagen können (unter anderem bei Nachlassüberschuldung), bedarf eine Ausschlagung für die eigenen minderjährigen Kinder in bestimmten Fällen der Genehmigung durch das Familiengericht. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn nicht beide Elternteile gleichzeitig sorgeberechtigt sind. Im Fall, den der Bundesgerichtshof (BGH) zu entscheiden hatte, handelte es sich aber um einen werthaltigen Nachlass.

Die Eheleute hatten sich aufgrund eines Erbvertrags wechselseitig zu Alleinerben eingesetzt und die gemeinsamen Kinder zu Schlusserben. Nach dem Tod seiner Ehefrau schlugen der Mann und in der Folge die Kinder für sich selbst sowie der Sohn der Erblasserin für das eigene, noch ungeborene Kind die Erbschaft aus - mit dem Ziel, die gesetzliche Erbfolge zu nutzen und letztlich Erbschaftsteuer zu sparen. Das Nachlassgericht verweigerte jedoch die Ausstellung eines europäischen Nachlasszeugnisses, da die Ausschlagungserklärung für das damals noch ungeborene Kind nicht durch das Familiengericht genehmigt worden sei. Das Gericht war daher der Ansicht, dass dies notwendig sei, um einen Interessenkonflikt zwischen dem Vater und den Kindern zu vermeiden. Dies wurde auch durch das Oberlandesgericht zunächst bestätigt.

Der BGH hob die Entscheidung jedoch auf und entschied, dass eine gerichtliche Genehmigung nicht erforderlich sei. Es handele sich nämlich um eine durchaus bewusste Festlegung des Gesetzgebers, dass Eltern für ihre Kinder eine Erbschaft ausschlagen können, wenn sie nicht als Miterben gelten. Der BGH betonte zudem, dass das Kind nicht benachteiligt werde, da es keine gesicherte Erbposition hatte und die Ausschlagung in seinem Interesse lag. Der BGH entschied, dass dem Vater ein europäisches Nachlasszeugnis auszustellen war, das ihn und seine Kinder gemeinsam als Erben ausweist.

Hinweis: Eine familiengerichtliche Genehmigung ist nicht erforderlich, wenn die Erbschaft dem minderjährigen Kind erst infolge der Ausschlagung des sorgeberechtigten Elternteils anfällt und dieser Elternteil nicht neben dem Kind als Erbe berufen war.


Quelle: BGH, Beschl. v. 04.09.2024 - IV ZB 37/23
zum Thema: Erbrecht

(aus: Ausgabe 12/2024)

Ersatz für Zugewinnausgleich: Riskantes Vorgehen einer Anwältin kommt diese teuer zu stehen

Wer dem guten Rat folgt, einen Rechtsbeistand einzuschalten, der möchte zu Recht sichergehen, dass dieser die Interessen seiner Mandanten gebührend vertritt. Das bedeutet auch, dass Anwälte gerade bei unklarer Rechtslage alle Risiken miteinbeziehen und den sichersten Weg empfehlen müssen. Alles andere führt zu Schadensersatzansprüchen und zum Verlust von Rechtsansprüchen - wie in diesem Fall, der vor dem Bundesgerichtshof (BGH) landete.

Wer dem guten Rat folgt, einen Rechtsbeistand einzuschalten, der möchte zu Recht sichergehen, dass dieser die Interessen seiner Mandanten gebührend vertritt. Das bedeutet auch, dass Anwälte gerade bei unklarer Rechtslage alle Risiken miteinbeziehen und den sichersten Weg empfehlen müssen. Alles andere führt zu Schadensersatzansprüchen und zum Verlust von Rechtsansprüchen - wie in diesem Fall, der vor dem Bundesgerichtshof (BGH) landete.

Ein ehemaliger Mandant verklagte seine Anwältin auf rund 86.000 EUR Schadensersatz. Er hatte Zugewinnausgleich in dieser Höhe gegen seine Frau geltend gemacht, dieser Anspruch wurde ihm gerichtlich aber rechtskräftig verwehrt. Die Ex-Frau hatte zunächst eine Klage auf Zugewinnausgleich beim Amtsgericht (AG) Mannheim eingereicht. Ihr Ex-Mann tat daraufhin Selbiges beim AG in Delmenhorst. Und eben dieses regte das Ruhen des Verfahrens so lange an, bis die Kollegen in Mannheim über die Klage der Frau entschieden haben. Weil Mannheim aber eben nicht entschied, nahm die Anwältin das Verfahren in Delmenhorst erneut auf - dies aber erst nach zehn Monaten. Die Ex-Frau berief sich daher auf Verjährung - und bekam Recht. Der Mann sah hier ein Verschulden bei seiner Anwältin und nahm sie deswegen in die Haftung.

Vor dem BGH bekam er auch Recht. Nach § 204 Abs. 2 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch wird die Verjährung durch Rechtsverfolgung gehemmt, und zwar für sechs Monate. Im Einzelfall kann die Hemmung auch länger andauern, wenn es für das Nichtbetreiben einen wichtigen Grund gibt. Nimmt ein Anwalt einen wichtigen Grund an, darf er sich aber nicht darauf verlassen, dass das Gericht das ebenso sieht. Er muss also vor Ablauf der Sechsmonatsfrist das Verfahren wieder aufnehmen. Sonst kann in der Tat ein Schaden entstehen, für den der Anwalt einstandspflichtig ist. Im vorliegenden Fall muss die Anwältin nun also den "Zugewinnausgleich" stemmen, also sage und schreibe rund 86.000 EUR.

Hinweis: Auch die Verjährung in Familiensachen wird durch Aufnahme der Rechtsverfolgung gehemmt. Familiensachen dürfen nicht länger als sechs Monate nicht betrieben werden, sonst können sie verjähren.


Quelle: BGH, Urt. v. 19.09.2024 - IX ZR 130/23
zum Thema: Familienrecht

(aus: Ausgabe 12/2024)

Flexibilität fürs Kindeswohl: Selbständige müssen zur Unterhaltssicherung nicht unbedingt ins Angestelltenverhältnis wechseln

Eltern sind verpflichtet, ihren Kindern Unterhalt zu leisten. Um diesen zu sichern, kann von einem selbständigen Elternteil sogar gefordert werden, in eine besser bezahlte Anstellung zu wechseln. Ausnahme: Die Selbständigkeit sichert gerade erst, dass sich der Elternteil gut und flexibel um die Kinder kümmern kann, so wie im folgenden Fall des Oberlandesgerichts Hamm (OLG).

Eltern sind verpflichtet, ihren Kindern Unterhalt zu leisten. Um diesen zu sichern, kann von einem selbständigen Elternteil sogar gefordert werden, in eine besser bezahlte Anstellung zu wechseln. Ausnahme: Die Selbständigkeit sichert gerade erst, dass sich der Elternteil gut und flexibel um die Kinder kümmern kann, so wie im folgenden Fall des Oberlandesgerichts Hamm (OLG).

Die Eltern zweier minderjähriger Kinder trennten sich im August 2021. Die Kinder blieben bei der Mutter. Sie zogen mit ihr aus der elterlichen Wohnung in eine Mietwohnung. Der Vater verblieb in einer Immobilie, deren Eigentümer er war, und vermietete diese unter. Die Mutter bezog Berufsunfähigkeitsrente und arbeitet zudem stundenweise selbständig. Nun stritten beide Elternteile um den Unterhaltsanspruch der Mutter. Der Vater wollte diesen nicht zahlen, die Mutter könne schließlich vollschichtig arbeiten gehen. Den Unterhalt für die Kinder zahlte der Vater wiederum anstandslos.

Die Richter des OLG standen auf Seiten der Mutter. Zwar kann von einem Unterhaltsschuldner die Aufgabe einer selbständigen Existenz zugunsten einer besser bezahlten, abhängigen Beschäftigung zumutbar sein. Hier sichert die selbständige Arbeit der Mutter durch die damit verbundene Flexibilität, die im Rahmen eines Angestelltendaseins nicht gegeben ist, dass sie den Bedürfnissen der Kinder gerecht werden kann.

Hinweis: Unter dem Strich geht es immer um das Kindeswohl. Kann man diesem im Rahmen der Selbständigkeit oder stundenweisen freien Tätigkeit besser gerecht werden, kann nicht verlangt werden, dass man diese aufgibt. Wird von Ihnen im Rahmen eines Unterhaltsprozesses verlangt, dass Sie sich beruflich verändern, argumentieren Sie mit dem Kindeswohl. Nur, wenn die Änderung diesem förderlich wäre, kann diese von Ihnen verlangt werden - sonst nicht!


Quelle: OLG Hamm, Beschl. v. 04.07.2024 - 4 UF 35/24
zum Thema: Familienrecht

(aus: Ausgabe 12/2024)