Ligaklausel im Arbeitsvertrag: Abstieg erfüllt laut Arbeitsgericht nicht die erforderliche Voraussetzung für eine Sachbefristung

Arbeitsverträge dürfen befristet werden - allerdings unter vorgegebenen Regeln. Wie solche Regeln beim doch recht ungewöhnlichen Beruf des Profisportlers greifen, dessen Vertrag die Auflösung bei einem Ligaabstieg vorsah, musste das Arbeitsgericht Solingen (ArbG) klären.

Arbeitsverträge dürfen befristet werden - allerdings unter vorgegebenen Regeln. Wie solche Regeln beim doch recht ungewöhnlichen Beruf des Profisportlers greifen, dessen Vertrag die Auflösung bei einem Ligaabstieg vorsah, musste das Arbeitsgericht Solingen (ArbG) klären.

Der Assistenztrainer eines bergischen Handballclubs hatte in seinem Arbeitsvertrag eine sogenannte Ligaklausel vereinbart: Bei Abstieg solle der Vertrag enden. Der Club, der in der Spielzeit 2023/2024 noch in der 1. Handball-Bundesliga spielte, stieg in die 2. Handball-Bundesliga ab. Wie zuvor der Cheftrainer klagte nun auch der Assistenztrainer dagegen an, dass sein Vertrag aufgrund des Abstiegs enden sollte.

Das ArbG gab ihm recht. Es lag nach Ansicht des Gerichts kein Grund für eine Befristung vor, da die Ligaklausel unwirksam sei. Damit müsse das Arbeitsverhältnis fortgesetzt werden. Für eine Sachbefristung sehe das Gesetz nämlich vor, dass ein Grund vorliegen müsse, was sich aus § 14 Abs. 1 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) ergebe. Ein entsprechender Sachgrund lag hier im Sinne des Gesetzes jedoch nicht vor. Der Verein meinte zudem, dass der Assistenztrainer die Aufnahme der Ligaklausel ausdrücklich gewünscht habe und deshalb ein Sachgrund nach § 14 Abs. 1 Nr. 6 TzBfG vorliege. Das sah das Gericht jedoch anders. Es nahm nicht an, dass die Ligaklausel im Interesse des Assistenztrainers war.

Hinweis: Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Vieles spricht jedoch dafür, dass sie eindeutig richtig ist.


Quelle: ArbG Solingen, Urt. v. 30.10.2024 - 4 Ca 729/24
zum Thema: Arbeitsrecht

(aus: Ausgabe 02/2025)

Bedürftige Eltern: Was einem Kind bei Elternunterhalt zum Leben verbleiben muss

Im Alter sind Eltern mehr und mehr auf die Fürsorge ihrer Kinder angewiesen, in manchen Fällen auch auf deren finanzielle Hilfe. Dieser Unterhalt ist jedoch nur zu leisten, soweit die Kinder überhaupt leistungsfähig sind. Im folgenden Fall war der Bundesgerichtshof (BGH) gefragt, ob ein Sohn mit rund 5.500 EUR im Monat als nicht leistungsfähig genug gilt, um einen Sozialhilfeträger zu entlasten.

Im Alter sind Eltern mehr und mehr auf die Fürsorge ihrer Kinder angewiesen, in manchen Fällen auch auf deren finanzielle Hilfe. Dieser Unterhalt ist jedoch nur zu leisten, soweit die Kinder überhaupt leistungsfähig sind. Im folgenden Fall war der Bundesgerichtshof (BGH) gefragt, ob ein Sohn mit rund 5.500 EUR im Monat als nicht leistungsfähig genug gilt, um einen Sozialhilfeträger zu entlasten.

Ein Sozialhilfeträger nahm einen Sohn aus übergegangenem Recht für den Zeitraum von Juli bis Dezember 2020 auf Elternunterhalt in Anspruch. Die Mutter des Sohns lebte in der vollstationären Pflegeeinrichtung. Der Sozialhilfeträger erbrachte im genannten Zeitraum Sozialhilfeleistungen von ca. 1.500 EUR monatlich. Der verheiratete Sohn hat zwei volljährige Kinder und wohnt im Eigenheim, sein Jahresbruttoeinkommen belief sich im Jahr 2020 auf gut 133.000 EUR. In erster und zweiter Instanz gewann der Sohn. Sein Bruttoeinkommen wurde um Steuern und Sozialabgaben, Unterhaltspflichten für eines der volljährigen Kinder, berufsbedingte Aufwendungen, Versicherungen sowie Altersvorsorgeaufwendungen bereinigt. So kam man auf ein Monatsnetto zwischen 5.500 EUR und 6.200 EUR. Damit sei der Sohn nach § 94 Abs. 1a Satz 1 und 2 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch nicht leistungsfähig.

Vor dem BGH wendete sich jedoch das Blatt. Das Angehörigen-Entlastungsgesetz hat die Einkommensgrenze, ab der Kinder für den Unterhalt ihrer pflegebedürftigen Eltern herangezogen werden können, zwar auf 100.000 EUR Jahreseinkommen angehoben. Diese sozialhilferechtliche Einkommensgrenze kann aber nicht ohne weiteres auf das Unterhaltsrecht übertragen werden. Denn sie dient vor allem dem Schutz der öffentlichen Haushalte und soll weniger gut verdienende Kinder von ihrer Unterhaltspflicht befreien. Der Selbstbehalt im Elternunterhalt ist anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls zu ermitteln. Dabei ist dem Unterhaltspflichtigen ein individueller Betrag zu belassen, der sich aus einem Mindestselbstbehalt und einem Bruchteil des diesen Freibetrag übersteigenden Einkommens zusammensetzt. Und dabei ist von einem Mindestselbstbehalt von 2.000 EUR auszugehen, darüber hinausgehend soll dem Unterhaltspflichtigen ein angemessener Anteil seines Einkommens verbleiben.

Hinweis: Da wir in einer überalterten Gesellschaft leben, ist die Feststellung des BGH wichtig, dass Kinder mit hohem Einkommen ihrer Unterhaltspflicht nachkommen müssen. Dabei ist der Selbstbehalt im Elternunterhalt anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls zu ermitteln.


Quelle: BGH, Beschl. v. 23.10.2024 - XII ZB 6/24
zum Thema: Familienrecht

(aus: Ausgabe 02/2025)

Betriebsrat außen vor: Vergütungsanpassung des Betriebsratsvorsitzenden durch gesetzliche Vorgaben geregelt

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) musste darüber entscheiden, ob der Betriebsrat bei der Bemessung der Vergütung eines freigestellten Betriebsratsvorsitzenden ein Mitbestimmungsrecht hat. Was zwei Instanzen zuvor noch nicht final beantworten konnten, stand hier erneut auf dem Prüfstand. Und siehe da, das BAG fand ein entscheidendes Detail, um anders zu befinden.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) musste darüber entscheiden, ob der Betriebsrat bei der Bemessung der Vergütung eines freigestellten Betriebsratsvorsitzenden ein Mitbestimmungsrecht hat. Was zwei Instanzen zuvor noch nicht final beantworten konnten, stand hier erneut auf dem Prüfstand. Und siehe da, das BAG fand ein entscheidendes Detail, um anders zu befinden.

Nachdem der freigestellte Betriebsratsvorsitzende erfolgreich ein Assessment Center "Führungskräftepotential" durchlaufen hatte, nahm die Arbeitgeberin - Betreiberin von zwei Autohäusern - diese Tatsache zum Anlass, dem Vorsitzenden eine höhere Vergütung entsprechend einer höheren Entgeltgruppe des einschlägigen Tarifvertrags zu bezahlen. Der Betriebsrat war jedoch der Ansicht, ihm stehe ein Mitbeurteilungsrecht bei der Eingruppierung nach § 99 Abs. 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) zu. Die Arbeitgeberin hielt dem entgegen, dass diese Grundsätze zur Eingruppierung auf die Vergütung von freigestellten Betriebsratsmitgliedern nicht anzuwenden seien.

Das BAG entschied, dass dem Betriebsrat in der Tat kein Mitbestimmungsrecht zustehe. Bei der Frage von höheren Löhnen und Gehältern freigestellter Betriebsratsmitglieder handele es sich nicht um eine Einordnung nach § 99 BetrVG, denn hierbei ging es schließlich nicht um Entlohnung für erbrachte Arbeit, sondern vielmehr um eine Anpassung einer Vergütung nach dem Lohnausfallprinzip. Und eben diese Erhöhung richte sich nach gesetzlichen Vorgaben, die Vergütung eines freigestellten Betriebsratsmitglieds entsprechend der betriebsüblichen Entwicklung vergleichbarer Arbeitnehmer anzupassen.

Hinweis: Betriebsräte haben viele Mitbestimmungsrechte. Doch sobald ein Gesetz eindeutige Vorgaben enthält, ergibt dieses Mitbestimmungsrecht keinen Sinn - und besteht daher schlichtweg auch nicht.
 
 


Quelle: BAG, Beschl. v. 26.11.2024 - 1 ABR 12/23
zum Thema: Arbeitsrecht

(aus: Ausgabe 02/2025)

Diskriminierung von Ehen: Sachliche Differenzierungsgründe bei sächsischem Kirchgeld nicht erkennbar

Eine Regelung des Sächsischen Kirchensteuergesetzes, die bis Ende 2015 in Kraft war, war verfassungswidrig. Das hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) festgestellt. Diese Regelung muss nun rückwirkend korrigiert werden, nachdem das sogenannte Kirchgeld von einer Klägerin erfolgreich auf den Prüfstand gestellt wurde.

Eine Regelung des Sächsischen Kirchensteuergesetzes, die bis Ende 2015 in Kraft war, war verfassungswidrig. Das hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) festgestellt. Diese Regelung muss nun rückwirkend korrigiert werden, nachdem das sogenannte Kirchgeld von einer Klägerin erfolgreich auf den Prüfstand gestellt wurde.

In Sachsen wird Kirchgeld erhoben. Es basiert auf dem gemeinsamen Einkommen von Ehegatten, wenn einer der Partner keiner kirchensteuererhebenden Kirche angehört. Auf Lebenspartnerschaften wird diese Regelung nicht angewendet. Eingetragene Lebenspartner müssen also kein Kirchgeld entrichten. Demnach wird hier die Ehe schlechter gestellt, da Eheleute zur Zahlung herangezogen werden. 2001 wurde bundesgesetzlich das Institut der Lebenspartnerschaft eingeführt. Im Jahr 2013 wurden Ehegatten und Lebenspartner verfassungsrechtlich gleichgestellt. Die meisten Bundesländer änderten daraufhin ihre Kirchensteuergesetze, Sachsen aber erst ab September 2015. Eine Frau, die im Jahr 2014 und 2015 Kirchgeld zahlen musste, klagte dagegen und bekam Recht.

Die Ungleichbehandlung ist laut BVerfG nicht gerechtfertigt, da sowohl Ehe als auch Lebenspartnerschaft rechtlich verbindliche Lebensgemeinschaften darstellen. Sachliche Differenzierungsgründe liegen nicht vor, da keine hinreichenden Gründe für eine Schlechterstellung der Ehe erkennbar sind. Der Landesgesetzgeber muss nun die festgestellte Verfassungswidrigkeit für die Jahre 2014 und 2015 bis zum 30.06.2025 rückwirkend korrigieren. Bis 31.12.2023 dürfe es hingegen bei der Altregelung verbleiben, da die Lebenspartner erst ab diesem Zeitpunkt das Ehegattensplitting wählen konnten.

Hinweis: Die Frau kann sich freuen, das Kirchgeld muss ihr nun zurückerstattet werden. Sachsens Kirchengesetzgeber ist nun in der Handlungspflicht.


Quelle: BVerfG, Beschl. v. 15.10.2024 - 2 BvL 6/19
zum Thema: Familienrecht

(aus: Ausgabe 02/2025)

Sorgerecht: Gefahrenprognose entscheidet über Schutzanspruch des Kindes

Können Eltern ihrer Pflege- und Erziehungsverantwortung nicht gerecht werden, haben Kinder einen Anspruch auf den Schutz durch den Staat. Dieser Schutz durch den Staat endet laut einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) jedoch, sobald den Eltern eine positive Zukunftsprognose gestellt werden kann - und dies selbst bei einem verbleibenden Restrisiko.

Können Eltern ihrer Pflege- und Erziehungsverantwortung nicht gerecht werden, haben Kinder einen Anspruch auf den Schutz durch den Staat. Dieser Schutz durch den Staat endet laut einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) jedoch, sobald den Eltern eine positive Zukunftsprognose gestellt werden kann - und dies selbst bei einem verbleibenden Restrisiko.

Die Eltern waren mit ihrem vier Wochen alten Kind in einem Krankenhaus. Dort wurden Verletzungen festgestellt, die ein Schütteltrauma als Ursache vermuten ließen. Folglich wurde ein Sorgerechtsverfahren nach Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 2 Satz 2 Grundgesetz eingeleitet. Das Familiengericht kam über ein Sachverständigengutachten zu der Überzeugung, dass das Kind zwei jeweils durch einen Elternteil verursachte, potentiell lebensgefährliche Schütteltraumata erlitten hat. Den Eltern wurden daher weite Teile des Sorgerechts entzogen - doch diese legten erfolgreich Beschwerde beim Oberlandesgericht (OLG) ein.

Das OLG hob den Beschluss des Familiengerichts gegen Auflagen auf. Das Gericht konnte zwar das Risiko erneuter Verletzungen nicht ausschließen, kam aber trotzdem zu dem Schluss, dass eine dauerhafte Fremdunterbringung nicht erforderlich sei. Durch die Auflagen könne das Eintreten einer Überforderungssituation vermieden werden.

Der Verfahrensbeistand des Kindes richtete sich gegen diese Entscheidung mit einer Verfassungsbeschwerde an das BVerfG - und scheiterte. Kommt ein Gericht zu dem Schluss, dass eine Rückführung trotz anhaltender Gefahr stattzufinden hat, ist diese Entscheidung dann hinzunehmen, wenn eine vollständige Abwägung der widerstreitenden Interessen stattgefunden habe und die Entscheidung nachvollziehbar begründet werden könne.

Hinweis: Möchten Sie einen Rückführungsbeschluss angreifen, müssen Sie deutliche Wertungsfehler des rückführenden Gerichts herausarbeiten bzw. darlegen, dass das Kind einer erheblichen körperlichen und/oder seelischen Gefahr ausgesetzt ist.


Quelle: BVerfG, Beschl. v. 20.11.2024 - 1 BvR 1404/24
zum Thema: Familienrecht

(aus: Ausgabe 02/2025)

Generationengerechtigkeit: 67-jähriger schwerbehinderter Bewerber muss von kommunalem Arbeitgeber nicht berücksichtigt werden

Im Fall des Landesarbeitsgerichts Hamm (LAG) ging es wieder einmal mehr um die Frage, ob eine Diskriminierung wegen einer Behinderung und wegen des Alters vorlag. Der beklagte Arbeitgeber hatte gegen diese beiden Vorwürfe zwar nur ein argumentatives Blatt auf der Hand - dieses erwies sich allerdings quasi als Trumpf, der den Streit entschied.

Im Fall des Landesarbeitsgerichts Hamm (LAG) ging es wieder einmal mehr um die Frage, ob eine Diskriminierung wegen einer Behinderung und wegen des Alters vorlag. Der beklagte Arbeitgeber hatte gegen diese beiden Vorwürfe zwar nur ein argumentatives Blatt auf der Hand - dieses erwies sich allerdings quasi als Trumpf, der den Streit entschied.

Ein 67-Jähriger mit Schwerbehindertenstatus bewarb sich auf eine Stelle als Sachbearbeiter in der Verwaltung eines kommunalen Arbeitgebers. Der Arbeitgeber sagte ihm ab, da der Bewerber seine Regelaltersgrenze bereits überschritten hatte. Er wies ihn darauf hin, dass er im Sinne der Generationengerechtigkeit hier eine 20 Jahre jüngere Frau einladen und einstellen durfte. Schließlich sei es sein Ziel, jüngeres Personal zu fördern. Der Bewerber beschwerte sich darüber, dass er nicht einmal zum Vorstellungsgespräch eingeladen worden war, und forderte eine Entschädigung nach § 15 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Er begründete dies damit, dass er wegen seines Alters und seiner Schwerbehinderung benachteiligt worden sei.

Das LAG entschied jedoch, dass der Arbeitgeber den 67-Jährigen nicht zum Vorstellungsgespräch habe einladen müssen - unabhängig von dessen Schwerbehinderung. Er haben den Mann weder wegen des Alters noch wegen der Schwerbehinderung diskriminiert, sondern war vielmehr wegen dessen Alters im Sinne der Generationengerechtigkeit dazu berechtigt gewesen, ihn nicht zum Vorstellungsgespräch einzuladen bzw. einzustellen. Der Bewerber habe deshalb keinen Anspruch auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG.

Hinweis: Bei Einstellungsverfahren in der öffentlichen Verwaltung müssen schwerbehinderte Bewerber grundsätzlich eingeladen werden. Das ist in der freien Wirtschaft anders. Doch genau deshalb ist dieser Fall so besonders: Hier musste noch nicht einmal in der öffentlichen Verwaltung der Bewerber eingeladen werden. Denn dieser hatte schlichtweg die Regelaltersgrenze überschritten.


Quelle: LAG Hamm, Urt. v. 06.08.2024 - 6 SLa 257/24
zum Thema: Arbeitsrecht

(aus: Ausgabe 02/2025)

Stiefkindadoption: Genetische Mutter wird durch Adoption des eigenen Kindes nicht diskriminiert

Lesbische Partnerinnen erfüllen sich den Kinderwunsch oft über eine anonyme Samenspende und eine Spende eines Eis der einen Frau, das wiederum ihrer Partnerin eingesetzt wird. In Deutschland muss bei einer solchen Konstellation die genetische Mutter ihr eigenes Kind adoptieren. Hiergegen klagten einige genetische Mütter wegen Diskriminierung bis vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR).

Lesbische Partnerinnen erfüllen sich den Kinderwunsch oft über eine anonyme Samenspende und eine Spende eines Eis der einen Frau, das wiederum ihrer Partnerin eingesetzt wird. In Deutschland muss bei einer solchen Konstellation die genetische Mutter ihr eigenes Kind adoptieren. Hiergegen klagten einige genetische Mütter wegen Diskriminierung bis vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR).

Ein lesbisches Paar aus Deutschland lebt seit 2010 in einer eingetragenen Partnerschaft. Im Jahr 2013 brachte eine der Frauen einen Sohn zur Welt. Verwendet wurden eine anonyme Samenspende und die Eizelle ihrer Partnerin. Da diese Form der künstlichen Befruchtung in Deutschland nicht erlaubt war, reiste das Paar zur Befruchtung nach Belgien. Schließlich wurde nur die austragende Mutter in die Geburtsurkunde eingetragen - die genetische Mutter musste das Kind adoptieren, um rechtlich als Elternteil anerkannt zu werden. Dies hielt das Paar für diskriminierend. Die genetische Mutter muss trotz eines fast vollständigen DNA-Matches ihr eigenes Kind adoptieren, was ihrer Ansicht nach eine Verletzung des Privat- und Familienlebens gemäß Art. 8 Europäische Menschenrechtskonvention darstelle.

Der EGMR sah dies allerdings anders. Die Adoption durch die genetische Mutter sei keine wesentliche Beeinträchtigung des Privat- und Familienlebens. Die Notwendigkeit der Adoption erschwere den Alltag der Familien nicht erheblich. Unterschiede zwischen gleichgeschlechtlichen und heterosexuellen Elternpaaren sind nicht automatisch Diskriminierungen.

Hinweis: Der EGMR billigt den Staaten einen breiten Gestaltungsspielraum bei familienrechtlichen Fragen zu. Deshalb ist es folgerichtig, dass die Adoptionsnotwendigkeit nicht als diskriminierend eingestuft wird. Mittlerweile gibt es einen Gesetzesentwurf zur Reform des Abstammungsrechts, der das Adoptionserfordernis unnötig machen soll. Das Gesetzgebungsverfahren ist jedoch noch nicht abgeschlossen.


Quelle: EGMR, Urt. v. 12.11.2024 - 46808/16
zum Thema: Familienrecht

(aus: Ausgabe 02/2025)

Kredit der Schwiegereltern: 250.000 EUR sind keine Gefälligkeitsleistung des täglichen Lebens

Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft - das gilt auch im Verhältnis Schwiegereltern zu Schwiegerkindern. Über die Definition von Zuwendungen und Geschenken lässt sich aber trefflich streiten, vor allem im Ernstfall nach der Trennung von Kind und Schwiegerkind. Und genau das geschah im folgenden Fall, der vor dem Landgericht Frankfurt am Main (LG) landete.

Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft - das gilt auch im Verhältnis Schwiegereltern zu Schwiegerkindern. Über die Definition von Zuwendungen und Geschenken lässt sich aber trefflich streiten, vor allem im Ernstfall nach der Trennung von Kind und Schwiegerkind. Und genau das geschah im folgenden Fall, der vor dem Landgericht Frankfurt am Main (LG) landete.

Ein Schwiegersohn konnte sein geerbtes Wohnhaus aus eigenen Mitteln nicht halten. Die Bank hatte ihm bereits einen Kredit gekündigt. Die Schwiegereltern griffen ein, nahmen einen Kredit von 250.000 EUR auf und lösten damit die Restschuld ihres Schwiegersohns ab. Dieser sollte folglich Zinsen und Tilgung tragen. Nach einigen Jahren wurde die Ehe des Schwiegersohns mit der Tochter der Kreditgeber jedoch geschieden, und der Schwiegersohn stellte einige Zeit später seine Zahlungen ein: Wegen der Unterhaltszahlungen an seine Exfrau könne er die Tilgung und Zinsen nicht mehr schultern. Die Schwiegereltern verlangten trotzdem die Zahlung des noch offenen Betrags von 190.000 EUR. Der Fall ging vor Gericht. Der Schwiegersohn war der Ansicht, dass er nicht zahlen müsse, da es sich um ein freiwilliges Vermögensopfer der Schwiegereltern gehandelt habe. Schließlich hatten sie im familiären Raum wegen der schwierigen Lage der jungen Eheleute den Kredit aufgenommen.

Mit dieser Argumentation drang er aber vor dem LG nicht durch. Man habe mündlich einen Darlehensvertrag geschlossen. Im Familienverhältnis können natürlich durchaus Gefälligkeiten erfolgen. Bei der Gewährung eines derart hohen Betrags handelt es sich aber keinesfalls um eine Gefälligkeit des täglichen Lebens. Das finanzielle Risiko für die Schwiegereltern war ganz erheblich. Nachdem diese den mündlich mit ihrem ehemaligen Schwiegersohn geschlossenen rechtsverbindlichen Darlehensvertrag gekündigt hatten, stünde ihnen ein Rückzahlungsanspruch zu.

Hinweis: Bei Geld hört die Freundschaft auf - auch in der Familie. Bewahren lässt sich das gute Verhältnis am besten, wenn man Geldgeschäfte auch in der Familie in einem schriftlichen detaillierten Vertrag niederlegt. Dann wissen alle Parteien, woran sie sind.


Quelle: LG Frankfurt am Main, Urt. v. 28.11.2024 - 2-23 O 701/23
zum Thema: Familienrecht

(aus: Ausgabe 02/2025)

Verdacht auf Gefälligkeitsattest: Bei erschüttertem Beweiswert dient Aussage des Arztes der richterlichen Überzeugungsbildung

Manchmal kommt eins aufs andere: Erst bekommt man seinen begehrten Urlaub nicht, und dann wird man auch noch genau in dieser Zeit krank! Glauben Sie nicht? Der Arbeitgeber in diesem Fall auch nicht, weshalb er die Lohnfortzahlung verweigerte. Das Arbeitsgericht Berlin (ArbG) griff bei aller Ungläubigkeit zur Tat und befragte die behandelnde Ärztin als Zeugin, ob es sich nicht vielleicht um ein Gefälligkeitsattest handelte.

Manchmal kommt eins aufs andere: Erst bekommt man seinen begehrten Urlaub nicht, und dann wird man auch noch genau in dieser Zeit krank! Glauben Sie nicht? Der Arbeitgeber in diesem Fall auch nicht, weshalb er die Lohnfortzahlung verweigerte. Das Arbeitsgericht Berlin (ArbG) griff bei aller Ungläubigkeit zur Tat und befragte die behandelnde Ärztin als Zeugin, ob es sich nicht vielleicht um ein Gefälligkeitsattest handelte.

Es ging um eine seit dem Jahr 2021 beschäftigte Hauswirtschafts- und Reinigungskraft. Diese hatte das Arbeitsverhältnis am 12.05.2023 zum 15.06.2023 gekündigt. Gleichzeitig bat sie den Arbeitgeber darum, ihr zum Ende des Arbeitsverhältnisses Urlaub zu gewähren, da sie ihre Familie besuchen wolle. Dies lehnte der Arbeitgeber unter Hinweis auf entgegenstehende betriebliche Gründe ab. Noch am selben Tag teilte die Arbeitnehmerin dann telefonisch mit, dass sie erkrankt sei, und legte in der Folge eine unterzeichnete ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für den Zeitraum vom 22.05. bis 15.06.2023 vor. Der Arbeitgeber zweifelte die Arbeitsunfähigkeit aufgrund der zeitlichen Nähe von Kündigung und Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung und dem zuvor bekundeten Urlaubswunsch natürlich an und zahlte kein Geld. Daraufhin klagte die Arbeitnehmerin.

Das ArbG verpflichtete den Arbeitgeber dennoch zur Entgeltfortzahlung. Es lagen durchaus Umstände vor, die Zweifel an einer Erkrankung der Arbeitnehmerin haben wecken können. Daher reichte es auch dem Gericht nicht aus, dass die Arbeitnehmerin ärztliche Bescheinigungen vorgelegt hatte. Als jedoch die Ärztin als Zeugin vernommen wurde, bestätigte diese, dass sehr wohl eine ärztliche Untersuchung von sogar rund 15 bis 20 Minuten durchgeführt worden sei, bei der eine Erschöpfungsdepression diagnostiziert wurde, womit folglich eben kein sogenanntes Gefälligkeitsattest vorgelegen habe. Die Arbeitnehmerin sei infolge von Krankheit an ihrer Arbeitsleistung verhindert gewesen, ohne dass sie ein Verschulden getroffen hätte.

Hinweis: Gelingt es also einem Arbeitgeber im Prozess um Leistungen aus dem Entgeltfortzahlungsgesetz, den Beweiswert einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeit zu erschüttern, kann die Vernehmung des behandelnden Arztes als sachverständiger Zeuge erfolgen.


Quelle: ArbG Berlin, Urt. v. 19.03.2024 - 22 Ca 8667/23
zum Thema: Arbeitsrecht

(aus: Ausgabe 02/2025)

Chef hört mit! Selbst Einführung von nichtpersonalisierten Headsets erfordert Einbeziehung des Betriebsrats

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) musste erneut festlegen, wann genau das Mitbestimmungsrecht von Betriebsräten greift. Klar ist, dass sämtliche Maßnahmen zur Leistungskontrolle von Arbeitnehmern der Zustimmung des Betriebsrats bedürfen. Ob Headsets dazugehören, die keine direkte Überwachungsfunktion erfüllen, war für die Entscheidung des BAG die Frage.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) musste erneut festlegen, wann genau das Mitbestimmungsrecht von Betriebsräten greift. Klar ist, dass sämtliche Maßnahmen zur Leistungskontrolle von Arbeitnehmern der Zustimmung des Betriebsrats bedürfen. Ob Headsets dazugehören, die keine direkte Überwachungsfunktion erfüllen, war für die Entscheidung des BAG die Frage.

Eine Einzelhändlerkette für Bekleidung plante die Einführung eines Headsetsystems in einer Filiale mit mehr als 200 Beschäftigten. Die Führungskräfte sowie jeweils ein Arbeitnehmer in den Bereichen Kasse, Umkleidekabine sowie Aufräum- und Returnteam sollten verpflichtet werden, Kopfhörer und Mikrofon zu tragen. Die betroffenen Beschäftigten sollten bei Arbeitsbeginn eines dieser Headsets aufsetzen. Dabei sollte die Nummer des Headsets zwar erfasst und protokolliert werden, allerdings ohne dass die Software mitbekommt, wer welches Headset nutzt. Über die Zentrale im Mutterkonzern in Dublin in Irland konnte lediglich abgelesen werden, welche Geräte aktiv und wann sie mit der Basisstation verbunden seien. Dummerweise beteiligte der Arbeitgeber seinen lokalen Betriebsrat nicht an der Einführung des Headsetsystems. Und wie es mit Betriebsräten schnell ist: Er sah sich dadurch in seinen Mitbestimmungsrechten verletzt. Dem hielt der Arbeitgeber entgegen, dass das System über keinerlei Überwachungsfunktion verfüge und dass er mit dem Gesamtbetriebsrat eine Gesamtbetriebsvereinbarung geschlossen habe, die den Einsatz solcher Systeme regele.

Das BAG beschloss nun, dass der Arbeitgeber den Betriebsrat grundsätzlich bei der Einführung des Headsetsystems nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) zu beteiligen habe. Dies begründete das BAG damit, dass die Einrichtung einer zur Leistungsüberwachung geeigneten technischen Einrichtung nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG zwingend mitbestimmungspflichtig sei. Diese Voraussetzung sei hier gegeben, denn dazu reiche es aus, dass trotz Anonymisierung der Nutzerdaten des Systems die Headsetträger an deren Stimme und/oder deren Namen erkannt werden könnten. Nach Aussagen des Arbeitgebers seien die Vorgesetzten vor Ort immer in der Lage, das Verhalten sämtlicher in der Schicht tätiger Arbeitnehmer zu überwachen, die ein Kopfhörerset verwenden. Die betroffenen Arbeitnehmer seien deshalb einem ständigen Überwachungsdruck ausgesetzt - und dies verletze sie in ihrem Persönlichkeitsrecht. Das BAG war aber auch der Ansicht, dass das Mitbestimmungsrecht in diesem speziellen Einzelfall nicht dem lokalen Betriebsrat der Filiale zustehe. Zuständig sei vielmehr der Gesamtbetriebsrat, da das Kopfhörersystem im gesamten Unternehmen eingeführt worden sei. Es betreffe daher sämtliche Betriebe.

Hinweis: Möchte ein Arbeitgeber ein Headsetsystem zur internen Kommunikation einführen und die Beschäftigten verpflichten, dieses zu nutzen, ist der Betriebsrat also nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG unbedingt zu beteiligen.


Quelle: BAG, Beschl. v. 16.07.2024 - 1 ABR 16/23
zum Thema: Arbeitsrecht

(aus: Ausgabe 02/2025)