Bolzen ohne Sicherungsstift: Bringt ein Montagefehler einen Drehkran zu Fall, haften alle Beteiligten gemeinsam

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) befasste sich mit einem schweren Unfall. Ein Turmdrehkran stürzte während der Bauarbeiten um und fiel auf einen benachbarten Supermarkt. Dort verletzte er zwei Menschen und kostete einem Kind das Leben. Dass ein solcher Kran nicht nur von einem Paar Hände montiert und kontrolliert wird, hatte zur Folge, dass das Gericht über die Verantwortung aller Beteiligten und somit deren Haftungsverteilung zu befinden hatte.

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) befasste sich mit einem schweren Unfall. Ein Turmdrehkran stürzte während der Bauarbeiten um und fiel auf einen benachbarten Supermarkt. Dort verletzte er zwei Menschen und kostete einem Kind das Leben. Dass ein solcher Kran nicht nur von einem Paar Hände montiert und kontrolliert wird, hatte zur Folge, dass das Gericht über die Verantwortung aller Beteiligten und somit deren Haftungsverteilung zu befinden hatte.

Die Verletzten verlangten Schmerzensgeld und Ersatz der materiellen Schäden. Darauf verklagt wurden schließlich die Eigentümerin des Krans, die mit dem Aufbau beauftragte GmbH, ihr Geschäftsführer sowie ein weiterer Prüfsachverständiger. Das Landgericht gab den Forderungen weitgehend statt.

Das OLG bestätigte diese Entscheidung - mit Ausnahme des Prüfsachverständigen, der nicht haften musste. Nach Feststellungen des Gerichts war der Kran nicht korrekt montiert worden. Am entscheidenden Bolzen fehlte ein notwendiger Sicherungsstift, wodurch der Kran instabil wurde und schließlich umstürzte. Dieser Montagefehler war nach Überzeugung der Sachverständigen die alleinige Unfallursache. Die Eigentümerin des Krans musste sich das fehlerhafte Handeln der beauftragten Firma zurechnen lassen. Auch die GmbH und ihr Geschäftsführer hafteten, weil sie beim Aufbau gegen Sicherheitsvorschriften verstoßen hatten. Sie hätten dafür sorgen müssen, dass die Montage gefahrlos durchgeführt wird und Dritte nicht gefährdet werden. Der hinzugezogene Sachverständige, der den Kran regelmäßig überprüfte, wurde jedoch entlastet. Sein Prüfauftrag diente nur der Kontrolle nach Unfallverhütungsvorschriften und schützte keine zufällig betroffenen Personen auf Nachbargrundstücken.

Hinweis: Wer einen Kran aufstellt oder montiert, trägt große Verantwortung. Fehler beim Aufbau können nicht nur Sach-, sondern auch Personenschäden verursachen und führen zur Haftung aller Beteiligten.


Quelle: OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 15.09.2025 - 29 U 50/24
zum Thema: Sonstiges

(aus: Ausgabe 12/2025)

Tod im Hotelzimmer: Keine Kostenübernahme für Tatortreinigung und Renovierung

Wenn ein TV-Krimi nach 90 Minuten endet, sind meist alle offensichtlich spannenden Fragen gelöst. Der Fall vor dem Landgericht Regensburg (LG) zeigt jedoch, dass nach Klärung eines realen (wenngleich hier natürlichen) Todesfalls immer noch viele Antworten offenbleiben - zum Beispiel, ob ein Hotel von einem Nachlasspfleger Schadensersatz für die Aufwendungen verlangen kann, die durch dem Tod eines Gastes im Hotelzimmer entstanden waren.

Wenn ein TV-Krimi nach 90 Minuten endet, sind meist alle offensichtlich spannenden Fragen gelöst. Der Fall vor dem Landgericht Regensburg (LG) zeigt jedoch, dass nach Klärung eines realen (wenngleich hier natürlichen) Todesfalls immer noch viele Antworten offenbleiben - zum Beispiel, ob ein Hotel von einem Nachlasspfleger Schadensersatz für die Aufwendungen verlangen kann, die durch dem Tod eines Gastes im Hotelzimmer entstanden waren.

Ein Gast verstarb im März 2022 in seinem Hotelzimmer. Der Mann war 2011 nach Südafrika ausgewandert, kam aber regelmäßig nach Deutschland zurück und blieb 2021 aufgrund der Corona-Pandemie ganze acht Monate im Hotel. Ob es an den Kontaktrestriktionen dieser Zeit lag oder daran, dass der Mann schon so eine lange Zeit Hotelgast war und somit quasi schon zur Einrichtung gehörte - an dieser Stelle bleibt ungewiss, warum der Mann nach seinem Versterben "eine gewisse" Zeit unentdeckt blieb. Dies war nicht nur aus menschlicher Sicht traurig, sondern auch aus wirtschaftlicher Betrachtungsweise des Hoteliers, denn durch die eingesetzte Verwesung des Leichnams entstanden Schäden am Zimmer und am Mobiliar. Der Hotelbetreiber verlangte vom Nachlasspfleger daher 25.543 EUR für Tatortreinigung, Renovierung, neue Möbel und die Minibar. Außerdem waren noch Beträge aus Restaurantbesuchen offen. Der Nachlasspfleger argumentierte hingegen, dass der Gast seinen eigenen Tod nicht zu vertreten habe und die geltend gemachten Kosten weder notwendig noch üblich seien. Außerdem berief er sich auf Verjährung.

Das LG wies die meisten Forderungen ab - lediglich die offene Restaurantrechnung von 10,20 EUR wurde anerkannt. Das Gericht stellte klar, dass ein Hotelvertrag aus Miet-, Dienst- und Verwahrungsvertragselementen besteht. Schäden, die durch den natürlichen Tod eines Gastes entstehen, gelten nicht als Pflichtverletzung und sind dem Vertrag rechtlich nicht zuzurechnen. Auch eine Haftung des Erben scheide aus, weil der Erbe nur für Verbindlichkeiten hafte, die vor dem Tod des Verstorbenen entstanden seien. Kosten, die erst nach dem Tod durch Verwesung oder Reinigung entstehen, gehören nicht dazu. Die Restaurantrechnung fällt jedoch in die Kategorie einer klassischen Altverbindlichkeit und kann daher eingefordert werden.

Hinweis: Hotels tragen das Risiko von natürlichen Todesfällen ihrer Gäste. Aufwendungen für Reinigung oder Renovierung nach einem Todesfall können nicht vom Erben eingefordert werden. Offene Rechnungen, die vor dem Tod entstanden sind, müssen jedoch beglichen werden.


Quelle: LG Regensburg, Urt. v. 19.09.2025 - 85 O 1495/24
zum Thema: Sonstiges

(aus: Ausgabe 12/2025)

Veranstalter haftet für Reisebürofehler: Kunden können bei erheblichen Abweichungen vor Reiseantritt kostenlos stornieren

Ein Kunde mit Reiselust hatte eigentlich noch Glück im Unglück, denn der Mangel an seiner geplanten Auszeit kam schon vor Reiseantritt ans Licht. Dennoch sah er sich mit einer Stornorechnung des Veranstalters konfrontiert, der für die fehlerhafte Informationen eines Reisebüromitarbeiters nicht verantwortlich sein wollte. Also kam doch noch Ärger auf, mit dem sich schließlich das Amtsgericht München (AG) auseinandersetzen musste.

Ein Kunde mit Reiselust hatte eigentlich noch Glück im Unglück, denn der Mangel an seiner geplanten Auszeit kam schon vor Reiseantritt ans Licht. Dennoch sah er sich mit einer Stornorechnung des Veranstalters konfrontiert, der für die fehlerhafte Informationen eines Reisebüromitarbeiters nicht verantwortlich sein wollte. Also kam doch noch Ärger auf, mit dem sich schließlich das Amtsgericht München (AG) auseinandersetzen musste.

Ein Mann buchte über ein Reisebüro eine Reise nach Ägypten für zwei Personen. Dabei wählte er ein Junior-Suite-Doppelzimmer mit All-Inclusive-Verpflegung. Aufgrund bereits gemachter Erfahrungen mit ägyptischen Hotelzimmern erkundigte sich der Reisewillige wiederholt über den Zustand der Zimmer. Der Mitarbeiter des Reisebüros versicherte seinem Kunden daraufhin, dass alle Zimmer des Hotels renoviert seien und daher auch er ein renoviertes Zimmer bekomme - entsprechend den Beispielbildern des Hotels, die mit "Wohnbeispiel" gekennzeichnet waren. Nach der Buchung stellte der Kunde zu Hause jedoch fest, dass durchaus nicht alle Zimmer renoviert seien. Und Treffer: Bei Rückfrage bestätigte die Reiseveranstalterin, dass für den Kunden kein renoviertes Zimmer reserviert worden und dies auch nicht mehr möglich sei. Tatsächlich gäbe es zwar einige renovierte Zimmer, diese waren aber ausgebucht oder nicht verfügbar. Die Hotelbeschreibung des Veranstalters machte keinen Unterschied zwischen renovierten und nicht renovierten Zimmern. Daraufhin stornierten die Reisenden die Reise und der Veranstalter stellte eine Stornorechnung über 657 EUR aus.

Das AG wies die Forderung auf Stornokosten ab und stellte fest, dass der Reisevertrag wegen eines Reisemangels erheblich beeinträchtigt war. Der Veranstalter musste sich die falschen Angaben des Reisebüros zurechnen lassen, weil er das Büro mit der Buchung beauftragt hatte. Auch die bereitgestellten Beispielbilder galten als Teil der Vereinbarung über den Zimmerstandard. Der Reiseveranstalter hafte daher dafür, dass die Weitergabe der Informationen durch das Reisebüro fehlerhaft erfolgte.

Hinweis: Reiseveranstalter haften für falsche Auskünfte ihrer Partnerbüros. Beispielbilder und mündliche Zusagen eines Mitarbeiters können den Vertrag beeinflussen. Kunden können bei erheblichen Abweichungen vor Reiseantritt kostenlos stornieren.


Quelle: AG München, Urt. v. 08.09.2025 - 112 C 7280/25
zum Thema: Sonstiges

(aus: Ausgabe 12/2025)

Bedingte Verfügung: Wenn das Testament nur für den gemeinsamen Todesfall gilt

Die Auslegung von Testamenten spielt in der Rechtspraxis eine bedeutende Rolle. Was hat der Erblasser mit der Formulierung gewollt? Das Oberlandesgericht München (OLG) musste genau das herausfinden, nachdem eine Frau, die in einem Testament nur "für den Fall, dass mir und meinem Bruder auf den Reisen etwas passiert", als Alleinerbin eingesetzt wurde, nun das Erbe einforderte.

Die Auslegung von Testamenten spielt in der Rechtspraxis eine bedeutende Rolle. Was hat der Erblasser mit der Formulierung gewollt? Das Oberlandesgericht München (OLG) musste genau das herausfinden, nachdem eine Frau, die in einem Testament nur "für den Fall, dass mir und meinem Bruder auf den Reisen etwas passiert", als Alleinerbin eingesetzt wurde, nun das Erbe einforderte.

Die Erblasserin war ledig, kinderlos und hatte nur einen Bruder. Im Jahr 2007 schrieb sie eigenhändig ein Testament mit der genannten Formulierung und unterschrieb es. Nach ihrem Tod 2019 war das Original zunächst nicht auffindbar, nur eine Kopie lag vor. Das Gericht stellte jedoch fest, dass die Kopie echt war und das Testament wirksam errichtet wurde. In dem Testament hatte die Erblasserin folgende Formulierung gewählt: "Sollte mir und meinem Bruder auf den Reisen etwas passieren (...)".

Das OLG sah darin jedoch keine allgemeine Erbeinsetzung, sondern eine Bedingung: Die Begünstigte sollte nur dann Erbin werden, wenn die Erblasserin und ihr Bruder gemeinsam oder gleichzeitig auf Reisen sterben würden. Da die Erblasserin Jahre später eines natürlichen Todes starb und ihr Bruder sie überlebte, griff diese Bedingung nicht. Somit trat die gesetzliche Erbfolge ein und der Bruder wurde Alleinerbe. Das Gericht stellte klar, dass derartige Formulierungen im Testament sorgfältig ausgelegt werden müssen. Nicht jeder Hinweis auf einen bestimmten Anlass - etwa eine Reise oder eine Operation - bedeute automatisch, dass die Regelung nur für diesen Fall gelten solle. Im konkreten Fall sprachen jedoch die Wortwahl und der familiäre Hintergrund eindeutig für eine bedingte Verfügung.

Hinweis: Wer ein Testament schreibt, sollte klar unterscheiden, ob eine Erbeinsetzung für alle Fälle gelten soll oder nur für eine bestimmte Situation - etwa bei einem Unfall oder während einer Reise. Unklare Formulierungen können sonst dazu führen, dass das Testament wirkungslos bleibt und die gesetzliche Erbfolge greift.


Quelle: OLG München, Beschl. v. 08.10.2025 - 33 Wx 25/25
zum Thema: Erbrecht

(aus: Ausgabe 12/2025)

Betriebsschaden: Ohne äußeren Einfluss geplatzter Reifen ist kein versicherter Unfall in der Vollkaskoversicherung

Wozu hat man denn eine Vollkasko, wenn ein geplatzter Reifen nicht zu den versicherten Schäden gehört? Die Antwort auf diese erst einmal logisch erscheinende Entrüstung hatte das Oberlandesgericht Dresden (OLG), und die Logik ebendieser Antwort war nicht von der Hand zu weisen. Lesen Sie selbst.

Wozu hat man denn eine Vollkasko, wenn ein geplatzter Reifen nicht zu den versicherten Schäden gehört? Die Antwort auf diese erst einmal logisch erscheinende Entrüstung hatte das Oberlandesgericht Dresden (OLG), und die Logik ebendieser Antwort war nicht von der Hand zu weisen. Lesen Sie selbst.

Der hier klagende Autofahrer war mit hoher Geschwindigkeit auf der Autobahn unterwegs, als ein Reifen platzte. Der Wagen verunfallte schwer. Als der Fahrzeughalter den Schaden bei seiner Vollkaskoversicherung geltend machte, verweigerte diese die Zahlung. Nach den Versicherungsbedingungen sei schließlich nur ein Unfallereignis versichert - hier aber sei lediglich ein vorgeschädigter Reifen geplatzt, nach den vorliegenden Informationen ohne äußerlichen mechanischen Einfluss. Daher handelte es sich auch nicht um ein versichertes Ereignis.

Das OLG gab der Versicherung recht. Nach den Feststellungen des vom Gericht beauftragten Sachverständigen konnte nicht bewiesen werden, dass der Kläger einen auf der Fahrbahn liegenden Gegenstand überfahren hatte, bevor der Reifen platzte. Es war ebenso möglich, dass schon das Überfahren einer Fahrbahnunebenheit, mit der im normalen Fahrbetrieb zu rechnen ist - wie eine Dehnungsfuge oder eine Bodenwelle -, das Platzen des vorgeschädigten Reifens herbeigeführt habe. Der Sachverständige konnte im Ergebnis nicht feststellen, dass die Ursache für den Schaden das Überfahren eines Gegenstands oder eine Fahrbahnunebenheit war. Dies geht zu Lasten des beweisbelasteten Klägers, denn das Überfahren einer Fahrbahnunebenheit ist kein von außen einwirkendes Ereignis. Schäden, die durch Ereignisse und Umstände hervorgerufen werden, in denen sich Gefahren verwirklichen, denen das Fahrzeug im Rahmen seiner vorgesehenen konkreten Verwendung üblicherweise ausgesetzt ist, sind Betriebsschäden und nicht versichert. Die Versicherung hat daher zu Recht die Zahlung verweigert.

Hinweis: Für die Annahme eines Unfalls ist eine Einwirkung "von außen" notwendig und dass der Gegenstand, von dem die auf das versicherte Fahrzeug wirkende mechanische Gewalt ausgehen muss, nicht Teil des Fahrzeugs selbst ist.


Quelle: OLG Dresden, Beschl. v. 11.06.2025 - 4 U 88/25
zum Thema: Verkehrsrecht

(aus: Ausgabe 12/2025)

Keine Job- oder Existenzbedrohung: Arzttätigkeit rechtfertigt allein kein Absehen vom Fahrverbot nach Geschwindigkeitsüberschreitung

Wer bei einer Bleifußfahrt erwischt wird, hat oft am meisten Angst vor einem Fahrverbot. Zu Recht, wie der folgende Fall des Bayerischen Oberlandesgerichts (BayObLG) beweist. Denn was alle Arbeitnehmer betrifft, die auf ihren fahrbaren Untersatz angewiesen sind, gilt eben auch prinzipiell für alle. Wann ein gegebener Ermessensspielraum ausgereizt werden darf, um die Sanktionen zu mindern - und wann eben nicht -, lesen Sie hier.

Wer bei einer Bleifußfahrt erwischt wird, hat oft am meisten Angst vor einem Fahrverbot. Zu Recht, wie der folgende Fall des Bayerischen Oberlandesgerichts (BayObLG) beweist. Denn was alle Arbeitnehmer betrifft, die auf ihren fahrbaren Untersatz angewiesen sind, gilt eben auch prinzipiell für alle. Wann ein gegebener Ermessensspielraum ausgereizt werden darf, um die Sanktionen zu mindern - und wann eben nicht -, lesen Sie hier.

Ein Autofahrer wurde mit einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 46 km/h außerhalb geschlossener Ortschaften gemessen. Gegen ihn erging ein Bußgeldbescheid in Höhe von 320 EUR und ein einmonatiges Fahrverbot. Dem Umstand, dass der Betroffene gegen die Verhängung des Fahrverbots Einspruch einlegte, verdanken wir die Tatsache, dass der Fall hier Erwähnung findet. Und siehe da: Das Amtsgericht gab dem Einspruch auch statt. Denn der Mann hatte argumentiert, dass er als Arzt mit besonderen Verpflichtungen auf den Führerschein angewiesen sei und mit dem Fahrverbot daher eine unzumutbare Härte vorliege. "Nö", meinte die Staatsanwaltschaft und legte Rechtsbeschwerde ein.

Das BayObLG gab der Rechtsbeschwerde statt. Allein die Tatsache, dass der Betroffene als Weiterbildungsassistent in einer Hausarztpraxis zu Besuchen in Pflegeheimen, Hausbesuchen und auch Diensten im Krankenhaus verpflichtet sei, genüge für die Annahme eines Härtefalls nicht. Dazu müsse eine erhebliche Beeinträchtigung seiner beruflichen Pflichten oder gar eine Gefährdung der medizinischen Versorgung seiner Patienten nachgewiesen sein. Hier sei aber anzunehmen, dass die Folgen des Fahrverbots durch organisatorische Maßnahmen - mit gelegentlichen Taxifahrten oder einem Aushilfsfahrer - zu überbrücken seien. Schließlich seien viele Arbeitnehmer dringend auf ihr Fahrzeug angewiesen, diese Tatsache reiche allein nicht aus, um die Folgen einer Geschwindigkeitsüberschreitung zu mindern. Eine Existenzbedrohung sei angesichts des Einkommens des Betroffenen (hier: 6.500 EUR brutto) ebenfalls nicht nachgewiesen. Es sei auch nicht zu berücksichtigen, dass ein Augenblicksversagen zu dem Verstoß geführt hat, da an der entsprechenden Stelle ein sogenannter Geschwindigkeitstrichter vorhanden war, der die zulässige streckenbezogene Höchstgeschwindigkeit schrittweise in Etappen auf den Zielwert herab begrenzt. Es war also nicht anzunehmen, dass gleich mehrere Schilder nicht wahrgenommen wurden.

Hinweis: Ein Fahrverbot ist in den vom Gesetz vorgesehenen Fällen nicht ausnahmslos zu verhängen. Vielmehr steht dem Tatrichter (in Bußgeldsachen dem Amtsrichter) ein Ermessensspielraum zu, um Verstößen im Straßenverkehr mit der im Einzelfall angemessenen Sanktion zu begegnen. Seine Entscheidung kann vom Rechtsbeschwerdegericht deshalb nur daraufhin überprüft werden, ob er sein Ermessen deshalb fehlerhaft ausgeübt hat, weil er die anzuwendenden Rechtsbegriffe verkannt, die Grenzen des Ermessens durch unzulässige Erwägungen überschritten und sich nicht nach den Grundsätzen und Wertmaßstäben des Gesetzes gerichtet hat.


Quelle: BayObLG, Beschl. v. 12.05.2025 - 202 ObOWi 262/25
zum Thema: Verkehrsrecht

(aus: Ausgabe 12/2025)

Ohne vorherigen Beschluss: Nachträgliche Zustimmung der Eigentümergemeinschaft zur Beauftragung durch Verwalterin erlaubt

Der allgemeinen Logik zufolge kann etwas nur dann wirklich verpflichtend sein, wenn es im Vorhinein vereinbart wurde. So dachte wohl auch ein Wohnungseigentümer und klagte gegen die nachträgliche Zustimmung seiner Miteigentümer zu einer durch die Verwalterin bereits erteilte Beauftragung. Und weil sich selbst Amts- und Landgericht (AG und LG) hierbei nicht einig waren, musste der Bundesgerichtshof (BGH) bewerten, ob dies ohne vorherigen Beschluss möglich sei.

Der allgemeinen Logik zufolge kann etwas nur dann wirklich verpflichtend sein, wenn es im Vorhinein vereinbart wurde. So dachte wohl auch ein Wohnungseigentümer und klagte gegen die nachträgliche Zustimmung seiner Miteigentümer zu einer durch die Verwalterin bereits erteilte Beauftragung. Und weil sich selbst Amts- und Landgericht (AG und LG) hierbei nicht einig waren, musste der Bundesgerichtshof (BGH) bewerten, ob dies ohne vorherigen Beschluss möglich sei.

In einer Wohnungseigentümergemeinschaft hatte die Verwalterin mehrere Gutachter und eine Anwaltskanzlei beauftragt - jedoch ohne Zustimmung der Eigentümer. Die Gutachter untersuchten Baumängel am Gemeinschaftseigentum und berechneten rund 50.000 EUR. Später stimmten die Eigentümer in einer Versammlung dieser Beauftragung nachträglich zu. Außerdem beschlossen sie, die Anwaltskanzlei auch weiterhin zu beauftragen und mit ihr eine Honorarvereinbarung zu schließen. Was nach "Glück gehabt!" klingt, machte ein Mitglied der Gemeinschaft zunichte. Denn dieses war mit einem derartigen Prozedere nicht einverstanden und ging dagegen vor Gericht - auch weil das Mitglied der Meinung war, dass bei der Beauftragung von Anwälten oder Gutachtern immer mehrere Angebote eingeholt werden müssen.

Während das AG die Beschlüsse für wirksam hielt, erklärte das LG sie teilweise für ungültig. Schließlich musste der BGH ein Machtwort sprechen und hob diese Entscheidung des LG auf. Nach seiner Auffassung durften die Eigentümer selbst entscheiden, ob sie eine vom Verwalter veranlasste Maßnahme auch im Nachhinein billigen. Eine solche Genehmigung sei erlaubt, solange die Maßnahme selbst ordnungsgemäßer Verwaltung entspreche. Der Verwalter dürfe also grundsätzlich ohne Beschluss handeln, solange die Eigentümer später seine Entscheidung bestätigen können. Auch die Beauftragung eines Rechtsanwalts sei rechtmäßig erfolgt. Der BGH stellte klar, dass Wohnungseigentümer vor einem solchen Beschluss keine Vergleichsangebote anderer Anwälte einholen müssten - selbst dann nicht, wenn ein Stundenhonorar vereinbart werde. Bei Gutachtern gelte das Gleiche. Der BGH betonte, dass es zum Ermessen der Gemeinschaft gehöre, wie sie vorgehe, solange die Verwaltung sachgerecht und nachvollziehbar bleibe.

Hinweis: Wohnungseigentümer dürfen Entscheidungen des Verwalters nachträglich bestätigen, wenn diese sachlich richtig und notwendig waren. Mehrere Angebote von Anwälten oder Gutachtern müssen vor einem Beschluss nicht eingeholt werden.


Quelle: BGH, Urt. v. 18.07.2025 - V ZR 76/24
zum Thema: Mietrecht

(aus: Ausgabe 12/2025)

Ohne Unterschrift unwirksam: Keine Erbeinsetzung des Begünstigten durch Nottestament

In extremen Ausnahmesituationen, beispielsweise bei akuter Lebensgefahr, kann ein Testament auch mündlich vor drei Zeugen errichtet werden. Das Oberlandesgericht München (OLG) musste im Folgenden entschieden, ob ein solches Dreizeugentestament ohne die Unterschrift des Erblassers unwirksam ist oder eine mündliche Erklärung vor Zeugen ausreicht, wenn der Erblasser noch schreiben konnte, seine Unterschrift aber nicht geleistet hat.

In extremen Ausnahmesituationen, beispielsweise bei akuter Lebensgefahr, kann ein Testament auch mündlich vor drei Zeugen errichtet werden. Das Oberlandesgericht München (OLG) musste im Folgenden entschieden, ob ein solches Dreizeugentestament ohne die Unterschrift des Erblassers unwirksam ist oder eine mündliche Erklärung vor Zeugen ausreicht, wenn der Erblasser noch schreiben konnte, seine Unterschrift aber nicht geleistet hat.

Im konkreten Fall hatte eine verwitwete, kinderlose Frau wenige Tage vor ihrem Tod in ihrer Wohnung ein Nottestament errichten lassen. Drei Zeugen unterzeichneten die Erklärung, die den Lebensgefährten zum Alleinerben machte. Die Erblasserin selbst unterschrieb jedoch nicht. Zwar befand sie sich in einem schlechten Gesundheitszustand, hatte aber kurz zuvor noch eine medizinische Belehrung unterschrieben, mit der sie eine Krankenhauseinweisung ablehnte. Das Nachlassgericht wies deshalb den Antrag des Begünstigten auf Erteilung eines Erbscheins ab.

Das OLG bestätigte diese Entscheidung und stellte klar, dass eine Unterschrift bei einem Dreizeugentestament grundsätzlich zwingend erforderlich ist. Nur wenn der Erblasser nachweislich nicht mehr schreiben könne, dürfe sie entfallen. Dafür reiche aber nicht aus, dass der Betroffene geschwächt sei oder eine Stütze beim Sitzen brauche. Da die Frau kurz vor der Testamentserrichtung noch eine eigene Unterschrift leisten konnte, hätte sie auch das Testament unterschreiben müssen. Zudem war nach Ansicht des OLG nicht ausreichend belegt, dass ein Notar zur Beurkundung tatsächlich nicht mehr erreichbar gewesen wäre. Das Nottestament war damit unwirksam. Die Erbfolge richtet sich nun vielmehr nach dem Gesetz, der Lebensgefährte erhielt somit keinen Erbschein.

Hinweis: Ein Nottestament ist nur in echten Ausnahmesituationen gültig - etwa bei akuter Lebensgefahr, wenn kein Notar erreichbar ist. Selbst dann muss der Erblasser, soweit möglich, eigenhändig unterschreiben. Fehlt die Unterschrift ohne zwingenden Grund, ist das Testament unwirksam.


Quelle: OLG München, Beschl. v. 30.10.2025 - 33 Wx 174/25
zum Thema: Erbrecht

(aus: Ausgabe 12/2025)

Vermächtnis statt Erbe: Lebensgefährtin muss Bestattungskosten nicht zahlen

Ob die Zuwendung eines wesentlichen Vermögensgegenstands bereits eine Erbeinsetzung ist oder nur eine Vermächtnisanordnung, ist oft eine der offenen Fragen nach einem Todesfall. Und so war sie auch Gegenstand einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Braunschweig (OLG). Denn schließlich trennen beide Formen entscheidende Feinheiten, die große Auswirkungen haben.

Ob die Zuwendung eines wesentlichen Vermögensgegenstands bereits eine Erbeinsetzung ist oder nur eine Vermächtnisanordnung, ist oft eine der offenen Fragen nach einem Todesfall. Und so war sie auch Gegenstand einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Braunschweig (OLG). Denn schließlich trennen beide Formen entscheidende Feinheiten, die große Auswirkungen haben.

Der Erblasser hatte wenige Monate vor seinem Tod ein handschriftliches Testament verfasst. Darin teilte er einzelne Gegenstände zu: die Wohnungseinrichtung, einen Porsche und vor allem das Ladengeschäft mit den dazugehörigen Gewerberäumen. Seine beiden Töchter sollten "keine weiteren Werte" erhalten, weil sie zu Lebzeiten bereits bedacht worden waren. Die Töchter bezahlten die Beerdigung und verlangten daraufhin die Erstattung der Kosten von der Lebensgefährtin, die aus Sicht der beiden nun Alleinerbin sei. Nachdem die Lebensgefährtin den Hauptbetrag überwiesen hatte, stritten die Parteien jedoch nur noch über Zinsen und vorgerichtliche Anwaltskosten.

Das OLG stellte dann aber klar: Entscheidend ist, was der Verstorbene gewollt habe, wer den Nachlass organisieren und Schulden tragen sollte. In der Verfügung des Erblassers wurde das Wort "Erbe" aber gar nicht verwendet. Vielmehr wurden einzelne Vermögensstücke gezielt verteilt. Auch wenn die Gewerbeimmobilie den weitaus größten Wert hatte, folgt daraus nicht automatisch, dass die damit bedachte Lebensgefährtin auch Erbin ist. Denn ein Erbe übernimmt den gesamten Nachlass - mit allen Rechten und Pflichten. Ein Vermächtnis verschafft hingegen nur einen Anspruch auf einen bestimmten Gegenstand gegen den oder die Erben. Und hier wollte der Verstorbene seine Lebensgefährtin gerade nicht mit der komplexen Abwicklung eines verschuldeten Nachlasses belasten, sondern ihr nur das Ladengeschäft zukommen lassen.

Dabei half dem Gericht der Blick auf einen älteren Erbvertrag zwischen den Beteiligten. Schon 2018 hatte der Verstorbene die Lebensgefährtin bewusst durch ein Vermächtnis begünstigt - ausdrücklich ohne ihr eine Erbenstellung zu geben. Das passte auch zu seiner Situation: hohe Schulden, die von den Töchtern in der Vergangenheit bereits teilweise aufgefangen worden waren. Dieses Gesamtbild sprach dafür, dass auch das spätere handschriftliche Testament nur einzelne Zuwendungen anordnen, aber keine Erben benennen sollte. Maßgeblich ist, ob die Person nach dem Willen des Erblassers die wirtschaftliche Stellung fortführen und die Nachlassschulden tragen soll. Das war hier nicht der Fall. Dies hatte aber zur Folge, dass in Ermangelung einer Erbeinsetzung die gesetzliche Erbfolge eingriff. Weil die Lebensgefährtin damit nicht Erbin war, fehlte von Anfang an die Grundlage für den Erstattungsanspruch der Töchter auf die Bestattungsaufwendungen. Ohne diesen Hauptanspruch gab es auch keine Verzugszinsen und keine Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten. Das OLG hob das Urteil des Landgerichts daher auf und wies die Klage vollständig ab.

Hinweis: "Erbe" und "Vermächtnis" sind nicht dasselbe. Erben treten in alle Rechte und Pflichten ein und müssen auch Schulden und Bestattungskosten tragen; Vermächtnisnehmer erhalten nur den zugewandten Gegenstand als Anspruch gegen die Erben. Wer vermeiden will, dass Begünstigte später für Schulden haften, sollte dies klar im Testament regeln und die Rolle der Erben ausdrücklich bestimmen.


Quelle: OLG Braunschweig, Urt. v. 03.11.2025 - 10 U 81/25
zum Thema: Erbrecht

(aus: Ausgabe 12/2025)

Verkehrssicherungspflicht: Betreiber haftet nicht für jeden Ausrutscher im Supermarkt

In diesem Fall ging es um das weite Feld der Verkehrssicherungspflicht. Dabei musste das Landgericht Frankenthal (LG) die Frage beantworten, wie weit die Pflicht eines Supermarktbetreibers greift, die Böden zur Unfallvermeidung sauber zu halten: Reicht eine Kontrolle aus, die jede halbe Stunde erfolgt, oder sind hier kürzere Takte zumutbar?

In diesem Fall ging es um das weite Feld der Verkehrssicherungspflicht. Dabei musste das Landgericht Frankenthal (LG) die Frage beantworten, wie weit die Pflicht eines Supermarktbetreibers greift, die Böden zur Unfallvermeidung sauber zu halten: Reicht eine Kontrolle aus, die jede halbe Stunde erfolgt, oder sind hier kürzere Takte zumutbar?

Eine Frau rutschte beim Einkauf in einem Supermarkt in der Obst- und Gemüseabteilung aus, verletzte sich dabei am Brustwirbel und verlangte schließlich 10.000 EUR Schmerzensgeld. Die Betreiberin des Supermarkts erklärte, dass der Boden jeden Morgen maschinell gereinigt und alle 30 Minuten kontrolliert werde. Bei den Kontrollen entferne das Personal Verschmutzungen sofort.

Für das LG ausreichend, denn es wies die Schmerzensgeldforderung ab. Nach Ansicht des Gerichts genügten die Reinigungs- und Kontrollintervalle, um die Verkehrssicherungspflicht entsprechend zu erfüllen. Ein Supermarktbetreiber muss nicht ständig jeden Quadratmeter sauber halten, sondern nur in zeitlich angemessenen Abständen, die wirtschaftlich vertretbar sind. Gefahren durch das Verhalten anderer Kunden können auch bei sorgfältiger Kontrolle nicht völlig ausgeschlossen werden. Es ist daher zumutbar, dass solche Risiken gelegentlich auftreten. Eine häufigere Kontrolle als alle 30 Minuten sei weder zumutbar noch wirtschaftlich erforderlich.

Hinweis: Supermarktbetreiber müssen ihre Böden zwar regelmäßig überprüfen, aber nicht permanent. Unfälle durch kurzfristige Verschmutzungen lassen sich nicht vollständig vermeiden. Kunden müssen auch ein gewisses Eigenrisiko tragen.


Quelle: LG Frankenthal (Pfalz), Urt. v. 16.09.2025 - 1 O 21/24
zum Thema: Sonstiges

(aus: Ausgabe 12/2025)