Gesamtkontext entscheidet: Wann "Dame vom Escortservice" nicht als Beleidigung aufgefasst werden sollte

Was Satire darf und was nicht, ist seit geraumer Zeit eine breit diskutierte Frage, die nicht final beantwortet werden kann. Mit einer möglichen Beantwortung sah sich das Oberlandesgericht Dresden (OLG) durch die Klage einer Frau beauftragt, die sich durch einen veröffentlichten Artikel verunglimpft sah. Und da es wie immer auf den Einzelfall ankommt - was einer allgemeingültigen Beantwortung eben auch entgegensteht -, spielt der gesamte Kontext hier die entscheidende Rolle.

Was Satire darf und was nicht, ist seit geraumer Zeit eine breit diskutierte Frage, die nicht final beantwortet werden kann. Mit einer möglichen Beantwortung sah sich das Oberlandesgericht Dresden (OLG) durch die Klage einer Frau beauftragt, die sich durch einen veröffentlichten Artikel verunglimpft sah. Und da es wie immer auf den Einzelfall ankommt - was einer allgemeingültigen Beantwortung eben auch entgegensteht -, spielt der gesamte Kontext hier die entscheidende Rolle.

Eine Rechtsanwältin hatte einen Mann in einer Verkehrssache vertreten. Über diese Verhandlung veröffentlichte der Mann einen Artikel. Die Rechtsanwältin meinte nun, durch verschiedene Äußerungen im Artikel schwerwiegend in ihrem Persönlichkeitsrecht und ihrer Würde als Organ der Rechtspflege verletzt worden zu sein. Sie verlangte eine Geldentschädigung in Höhe von mindestens 10.000 EUR. Das Geld erhielt sie allerdings nicht - es lag keine Persönlichkeitsrechtsverletzung vor.

Das OLG wertete den Artikel als satirisch angelegte Glosse über eine Gerichtsverhandlung. Der Mann hatte etwas von gängigen Klischees über die Justiz geschrieben, wie "Treppen und Flure wie aus Soko Leipzig" und "Tatort", "Vergitterte Fenster" und "wartete die Zeit, die der Amtsschimmel durchtraben musste". Und in exakt diesen Kontext reihte sich die ebenfalls klischeehafte Beschreibung der Rechtsanwältin ein, der ein "filmreifer Auftritt" bescheinigt wurde, bei dem sie mit "Gesetzen und Paragrafen abrufbereit angefüllt" gewesen sei. Auch beim Vergleich des Erscheinungsbilds der Rechtsanwältin im Gerichtssaal mit dem Auftreten einer "Dame vom Escortservice" handelte es sich nicht etwa um die Behauptung, die Rechtsanwältin selbst übe einen solchen Beruf aus oder biete sexuelle Dienstleistungen an. Vielmehr handelte es sich hierbei erkennbar um Satire.

Hinweis: Auch bei der Satire gibt es natürlich Grenzen, die nicht überschritten werden dürfen. Eine solche Grenzüberschreitung lag in diesem Fall noch nicht vor.


Quelle: OLG Dresden, Urt. v. 04.09.2023 - 4 U 1126/23
zum Thema: Sonstiges

(aus: Ausgabe 12/2023)

Onlinecasino aus Malta: Anbieter muss nach Verstoß gegen Glückspielstaatsvertrag Verluste zurückerstatten

Manchmal hat man Glück, und das Gesetz ist ganz plötzlich die Rettung aus einer selbstverursachten Misere - so wie im folgenden Fall für eine dem Glücksspiel etwas zu stark zugetane Frau vor dem Landgericht Koblenz (LG). Und das Glück, das sie vergeblich online suchte, war ihr im "real life" nun vor Gericht in Form von 632.250 EUR hold.

Manchmal hat man Glück, und das Gesetz ist ganz plötzlich die Rettung aus einer selbstverursachten Misere - so wie im folgenden Fall für eine dem Glücksspiel etwas zu stark zugetane Frau vor dem Landgericht Koblenz (LG). Und das Glück, das sie vergeblich online suchte, war ihr im "real life" nun vor Gericht in Form von 632.250 EUR hold.

In den Jahren 2015 bis 2020 verlor die Spielerin das Geld in einem Online-Casino eines führenden Onlineglücksspielanbieters aus Malta. Und für Malta verfügte der Anbieter auch über die erforderliche Glücksspiellizenz der zuständigen Glücksspielbehörde. Über eine entsprechende Glücksspiellizenz für Deutschland oder für das Bundesland Rheinland-Pfalz, in dem die Frau wohnt, verfügte der Anbieter jedoch nicht. Genau deshalb meinte die Spielerin nun, einen Rückzahlungsanspruch für die 632.250 EUR zu haben, denn zu der Zeit, in der sie gespielt hatte, gab es ein gesetzliches Verbot von Onlineglücksspielen. Und da sie davon erst im Jahr 2022 erfahren habe, seien die möglichen Rückzahlungsansprüche nicht verjährt. Schließlich klagte sie und bekam vor dem LG Recht.

Der zwischen den Parteien geschlossene Onlineglücksspielvertrag verstieß im streitgegenständlichen Zeitraum tatsächlich gegen ein gesetzliches Verbot und war daher nichtig. Zwar wurde der Glückspielstaatsvertrag im Jahr 2021 neu geregelt und es besteht nunmehr die Möglichkeit, eine Erlaubnis für öffentliche Glückspiele im Internet zu erhalten. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Frage des Gesetzesverstoßes war vorliegend aber der Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts, so dass es auf die Frage einer etwaigen späteren Legalisierung des Angebots nicht ankam.

Hinweis: Wer spielt, kann auch verlieren. Das gilt erst recht für die Teilnahme am Glücksspiel. Spannend wäre es zu erfahren, ob im Umkehrschluss das Onlinecasino auch Gewinne von Spielern wegen unwirksamer Verträge zurückfordern kann.
 
 


Quelle: LG Koblenz, Urt. v. 24.07.2023 - 1 O 224/22
zum Thema: Sonstiges

(aus: Ausgabe 12/2023)

Anzeigenschaltung reicht nicht: Werbung mit Bekanntheits-Angabe darf sich nur auf redaktionelle Berichterstattung beziehen

Werbeanzeigen werden von Medien strikt getrennt von redaktionellen Inhalten behandelt. So kann sich ein Verlag nicht vorwerfen lassen, gute Anzeigenkunden mit redaktionellen Inhalten zu bauchpinseln. Im Folgenden musste das Oberlandesgericht Hamburg (OLG) genau diesen Trennstrich bei der Wahrnehmung ziehen. Denn hier nutzte ein Unternehmen seine Anzeigenaktivitäten für eine "bekannt aus ...!"-Aussage, die redaktionelle Berichterstattungen der genannten Medien nahelegte.

Werbeanzeigen werden von Medien strikt getrennt von redaktionellen Inhalten behandelt. So kann sich ein Verlag nicht vorwerfen lassen, gute Anzeigenkunden mit redaktionellen Inhalten zu bauchpinseln. Im Folgenden musste das Oberlandesgericht Hamburg (OLG) genau diesen Trennstrich bei der Wahrnehmung ziehen. Denn hier nutzte ein Unternehmen seine Anzeigenaktivitäten für eine "bekannt aus ...!"-Aussage, die redaktionelle Berichterstattungen der genannten Medien nahelegte.

Die Firma bot auf ihrer Internetseite die Vermittlung von Immobilienverkäufern an Immobilienmakler an. Die Firma hatte auf ihrer Website geworben mit dem Hinweis "Bekannt aus: Die Welt, ONLINE FOCUS, Frankfurter Allgemeine, N24, Der Tagesspiegel", ohne dazu Fundstellen anzugeben oder zu verlinken. Ein Wettbewerbsverband sah die Werbung der Firma als unlauter an. Schließlich verklagte der Wettbewerbsverband die Firma auf Unterlassung.

Die Meinung des Verbands teilte das OLG. Denn wirbt ein Unternehmen mit seiner Bekanntheit aus namentlich genannten und bekannten Medien, geht der Verbraucher natürlich auch davon aus, dass die Bekanntheit aus einer redaktionellen Berichterstattung resultiert - nicht jedoch aus in den Medien geschalteter Werbung.

Hinweis: Auch in der Werbung darf nicht ohne weiteres gelogen oder übertrieben werden - hierbei steht der Schutz der Verbraucher im Vordergrund.


Quelle: OLG Hamburg, Urt. v. 21.09.2023 - 15 U 108/22
zum Thema: Sonstiges

(aus: Ausgabe 12/2023)

Angstgefühl allein unzureichend: Kein Schadensersatz nach Facebook-Scraping ohne Darlegung konkret-individueller Betroffenheit

Bei einem sogenannten Scraping werden Daten von Websites automatisiert ausgelesen. Ein solches Auslesen kann sowohl autorisiert als auch rechtswidrig erfolgen. Im Fall des Oberlandesgerichts Hamm (OLG) verklagte eine Facebooknutzerin den Meta-Konzern nach einer unautorisierten Auslesung ihrer Daten auf Schadensersatz. Doch ob und wie der erlittene Schaden zu bewerten war, ist fraglich.

Bei einem sogenannten Scraping werden Daten von Websites automatisiert ausgelesen. Ein solches Auslesen kann sowohl autorisiert als auch rechtswidrig erfolgen. Im Fall des Oberlandesgerichts Hamm (OLG) verklagte eine Facebooknutzerin den Meta-Konzern nach einer unautorisierten Auslesung ihrer Daten auf Schadensersatz. Doch ob und wie der erlittene Schaden zu bewerten war, ist fraglich.

Im April 2021 veröffentlichten Unbekannte die Daten von etwa 500 Millionen Facebooknutzern im Darknet, darunter Namen und Telefonnummern. Die Daten hatten die Unbekannten zuvor über einen längeren Zeitraum zunächst unter Ausnutzung der seinerzeitigen Suchfunktionen von Facebook gesammelt. Auch wenn die Anzeige der eigenen Telefonnummer bei Facebook nicht aktiviert war, war es über die Suchfunktion möglich, einen Nutzer über eine eingegebene Telefonnummer zu identifizieren. Dies nutzen die Unbekannten aus, indem sie millionenfach Telefonnummern mit dem Computer generierten und hierzu Daten abriefen. Facebook deaktivierte die Suchfunktion für Telefonnummern im April 2018. Wegen dieses Datenlecks wurden zahlreiche Klagen gegen Meta als Betreiberin der Plattform eingereicht. Auch die Frau dieses Verfahrens war betroffen. In dem im Darknet veröffentlichten Datensatz fanden sich ihre Mobiltelefonnummer, ihr Vor- und Nachname sowie die Angabe ihres Geschlechts. Deshalb verlangte sie mindestens 1.000 EUR Schmerzensgeld.

Das OLG hat die Klage auf Zahlung von Schadensersatz nach der Datenschutz-Grundverordnung abgewiesen. Nach dem Urteil lagen zwar eindeutige Verstöße gegen datenschutzrechtliche Vorschriften vor, einen immateriellen Schaden konnte die Frau jedoch nicht ausreichend darlegen. Der zu einer Vielzahl an ähnlich gelagerten Verfahren identische, pauschale Vortrag, die "Klägerpartei" habe Gefühle eines Kontrollverlusts, eines Beobachtetwerdens und einer Hilflosigkeit - insgesamt also das Gefühl der Angst - entwickelt und Aufwand an Zeit und Mühe gehabt, reichte zur Darlegung einer konkret-individuellen Betroffenheit nicht aus.

Hinweis: Das OLG hat mit diesem Urteil eine Leitentscheidung für eine Vielzahl anderer Verfahren getroffen. Andere Kläger müssen nun darstellen, welchen Schaden sie materiell und/oder immateriell erlitten haben.


Quelle: OLG Hamm, Urt. v. 15.08.2023 - 7 U 19/23
zum Thema: Sonstiges

(aus: Ausgabe 12/2023)

Höfeordnung und Nachabfindungsansprüche: Selbst Wertunterschied in Millionenhöhe führt nicht zu Sittenwidrigkeit von Erbverzichtsvertrag

Rechtsstreitigkeiten vor dem Hintergrund der Höfeordnung spielen zumeist in ländlichen Gegenden eine Rolle. Die Höfeordnung regelt die Erbfolge bei land- und forstwirtschaftlichen Betrieben in Deutschland. Durch diese spezielle gesetzliche Regelung soll sichergestellt werden, dass landwirtschaftliche Familienbetriebe über Generationen hinweg erhalten bleiben. Das Oberlandesgericht Celle (OLG) musste entscheiden, ob ein Verzicht auf den Pflichtteil und die Nachabfindung im Nachhinein für sittenwidrig erklärt werden kann.

Rechtsstreitigkeiten vor dem Hintergrund der Höfeordnung spielen zumeist in ländlichen Gegenden eine Rolle. Die Höfeordnung regelt die Erbfolge bei land- und forstwirtschaftlichen Betrieben in Deutschland. Durch diese spezielle gesetzliche Regelung soll sichergestellt werden, dass landwirtschaftliche Familienbetriebe über Generationen hinweg erhalten bleiben. Das Oberlandesgericht Celle (OLG) musste entscheiden, ob ein Verzicht auf den Pflichtteil und die Nachabfindung im Nachhinein für sittenwidrig erklärt werden kann.

Im Jahr 2013 hatte der verstorbene Erblasser zunächst im Wege der vorweggenommenen Erbfolge ein Baugrundstück an seine Töchter übertragen. Im Rahmen des Überlassungsvertrags verzichteten diese für sich und ihre Abkömmlinge auf etwaige Pflichtteilsansprüche nach ihren Eltern einschließlich etwaiger Nachabfindungsansprüche aus der Höfeordnung. Im Jahr 2002 übertrug der Erblasser den Hof dann an den Sohn ebenfalls im Wege der vorweggenommenen Erbfolge. Dann verkaufte der Sohn den Hof nach dem Tod des Erblassers und gab an, dies aus gesundheitlichen Gründen machen zu müssen. Eine der Schwestern war nun der Ansicht, dass der Verzicht auf den Pflichtteil sowie die Nachabfindung unwirksam seien, da die "Millionenbeträge", die der Sohn durch die Veräußerung erhalte, in einem krassen Missverhältnis zum Verzicht auf den Pflichtteil und die Nachabfindung stehe. Zudem habe sie den Verzicht ihrerseits in der Annahme erklärt, dass der Bruder den Hof des Erblassers weiterführen werde.

Das OLG hat den Antrag der Tochter des Erblassers zurückgewiesen und dies unter anderem damit begründet, dass ein bloßer Wertunterschied - selbst in Millionenhöhe - zwischen dem an den Verzichtenden gezahlten Abfindungsbetrag und möglichen Erb- und Pflichtteilsansprüchen nicht zu einer Sittenwidrigkeit der Vereinbarung führt. Erbverzichtsverträge sind grundsätzlich stark risikobehaftet, weshalb bei der Beurteilung der Frage einer Sittenwidrigkeit nach Auffassung des OLG äußerste Zurückhaltung geboten sei.

Hinweis: Die Annahme einer Sittenwidrigkeit kann dann in Betracht kommen, wenn der Verzichtende durch Täuschung oder Nötigung zur Abgabe seiner Willenserklärung gebracht wurde.


Quelle: OLG Celle, Beschl. v. 19.09.2023 - 7 W 17/23 (L)
zum Thema: Erbrecht

(aus: Ausgabe 12/2023)

Keine Datenlöschung: HIS-Eintrag der fiktiven Abrechnung bleibt auch nach später erfolgter Reparatur bestehen

Bei fiktiver Abrechnung eines Fahrzeugschadens über 1.500 EUR ist die Kaskoversicherung berechtigt, die Vornahme der fiktiven Abrechnung als Meldegrund an das Hinweis- und Informationssystem der Versicherungswirtschaft (HIS) zu melden. Welche Voraussetzung genügt, um dort zum Zweck der Aufdeckung bzw. Prävention von Versicherungsbetrug und -missbrauch registriert zu werden, war die Frage im Fall des Amtsgerichts München (AG).

Bei fiktiver Abrechnung eines Fahrzeugschadens über 1.500 EUR ist die Kaskoversicherung berechtigt, die Vornahme der fiktiven Abrechnung als Meldegrund an das Hinweis- und Informationssystem der Versicherungswirtschaft (HIS) zu melden. Welche Voraussetzung genügt, um dort zum Zweck der Aufdeckung bzw. Prävention von Versicherungsbetrug und -missbrauch registriert zu werden, war die Frage im Fall des Amtsgerichts München (AG).

Der Kläger erlitt mit seinem Fahrzeug, das bei der beklagten Versicherung versichert ist, einen Schaden. Die Beklagte bearbeitete und regulierte den Schaden als eintrittspflichtige Versicherung aufgrund eines vom Kläger vorgelegten Kostenvoranschlags. Die kalkulierten Reparaturkosten betrugen ohne Mehrwertsteuer etwa 3.300 EUR. Anschließend gab die Beklagte den Schadensfall an das HIS weiter (Höhe des entstandenen Schadens und die Fahrzeugidentifikationsnummer des betroffenen Kfz). Der Kläger behauptet, die dortige Eintragungen seien falsch, da sein Fahrzeug repariert worden sei und insofern keine fiktive Abrechnung des Schadens mehr vorliege.

Das AG hat die Klage dennoch abgewiesen. Entgegen der Auffassung des Klägers liegt keine unrichtige Eintragung im HIS und damit auch keine unrechtmäßige Verarbeitung der Daten vor. Das Gericht sah es als ausreichend nachgewiesen an, dass der streitgegenständliche Schaden am Klägerfahrzeug von der Beklagten aufgrund einer fiktiven Abrechnung reguliert wurde. Anhand des klägerseitig eingereichten Kostenvoranschlags hat die Beklagte den Schaden reguliert und dem Kläger die ermittelten Reparaturkosten netto erstattet. Auch wenn der Kläger anschließend sein Fahrzeug tatsächlich repariert haben sollte, ändert dies an der zunächst vorgenommenen fiktiven Abrechnung durch die Beklagte nichts. Es wurde auch nicht vorgetragen, dass der Kläger nachträglich seine Abrechnungsmodalität umgestellt hätte und nunmehr anhand konkret angefallener Reparaturkosten abgerechnet hätte.

Hinweis: Gemäß Art. 17 Abs. 1 Buchst. d) Datenschutz-Grundverordnung sind personenbezogene Daten zu löschen, sofern die personenbezogenen Daten unrechtmäßig verarbeitet wurden. Hier lag aber keine unrechtmäßige Verarbeitung der Daten vor. Seitens der Versicherungswirtschaft besteht ein Interesse daran, Versicherungsmissbrauch bei der mehrfachen Abrechnung im Fall fiktiver Schadensberechnung zu verhindern. Durch die Speicherung der Daten kann die Aufdeckung missbräuchlichen Verhaltens durch eine wiederholte Geltendmachung desselben Schadens an einem Fahrzeug erleichtert werden.
 
 
 


Quelle: AG München, Urt. v. 26.07.2023 - 322 C 3109/23 (2)
zum Thema: Verkehrsrecht

(aus: Ausgabe 12/2023)

Mieterhöhung laut Mietspiegel: Zuschläge für Einfamilienhäuser gelten auch für Doppelhaushälften

Im folgenden Fall war die entscheidende Frage, ob Einfamilienhäuser und Doppelhaushälften mehr miteinander verbindet oder mehr voneinander unterscheidet. Der Mieter einer Doppelhaushälfte und sein Vermieter waren da unterschiedlicher Meinung, so dass man sich vor dem Amtsgericht Hanau (AG) wiederfand.

Im folgenden Fall war die entscheidende Frage, ob Einfamilienhäuser und Doppelhaushälften mehr miteinander verbindet oder mehr voneinander unterscheidet. Der Mieter einer Doppelhaushälfte und sein Vermieter waren da unterschiedlicher Meinung, so dass man sich vor dem Amtsgericht Hanau (AG) wiederfand.

Ausgangspunkt war das Mieterhöhungsbegehren für eine angemietete Doppelhaushälfte. Der Vermieter verlangte unter Bezugnahme auf den Mietspiegel eine Zustimmung zur Erhöhung der monatlichen Nettokaltmiete inklusive einem Zuschlag von 25 %, der laut Mietspiegel auf Einfamilienhäuser entfällt. Der Mieter verweigerte die Zustimmung und meinte, der Zuschlag würde bei einer Doppelhaushälfte keine Anwendung finden, da er nur für freistehende Einfamilienhäuser gelte. Schließlich forderte der Vermieter die Zustimmung zur Mieterhöhung gerichtlich ein - und gewann den Rechtsstreit.

Entgegen der Meinung des beklagten Mieters war das AG nämlich nicht der Meinung, dass ein Einfamilienhaus zwingend freistehend sein muss, um als solches zu gelten. Weist der Mietspiegel im Rahmen der Bestimmung der ortsüblichen Miete einen Zuschlag für Einfamilienhäuser aus (hier: 25 %), gilt dieser auch für Doppelhaushälften. Denn da es im Mietspiegel keinerlei Angaben zu nichtfreistehenden Einfamilienhäusern gibt, wären Doppelhaushälften (und Reihenhäuser) vom ihm gar nicht erfasst. Dies widerspricht dem Sinn eines Mietspiegels. Zudem sind die Wohnvorteile in einer Doppelhaushälfte mit denen in einem freistehenden Einfamilienhaus gleichzusetzen: kein Treppenhausverkehr von Nachbarn und Besuchern, ein höherer Gebrauchswert durch üblicherweise vorhandene Grundstücks- bzw. Gartennutzung. Dass die Freiheiten als Mieter eines freistehenden Einfamilienhauses dennoch größer seien, was Lärm oder Geruchsbelästigungen angeht, ließ das AG ebenfalls nicht gelten. Die gemeinsamen Vorteile der Einfamilienhausformen - beispielsweise das Fehlen einer in Mehrparteienanlagen üblichen Hausordnung - wiegen einfach mehr. Und wenn man, wie das Gericht, in Sachen Lärm- und Geruchsentwicklung davon ausgeht, dass die nachbarrechtlichen Rücksichtnahmepflichten stets Anwendung finden, kann hinter dieser Argumentation auch kein qualitativer Mehrwert gesehen werden.

Hinweis: Eine Mieterhöhung ist für Vermieter kein Buch mit sieben Siegeln. Es kann jedoch auch über etwas anderes nachgedacht werden: die einvernehmliche Mieterhöhung zwischen Mieter und Vermieter. Das ist häufig ein guter Gedanke. Zwar erhält der Vermieter vielleicht etwas weniger Miete, als ihm gesetzlich zustehen würde, er hat allerdings auch keine Streitigkeiten und Schwierigkeiten mit seinem Mieter.


Quelle: AG Hanau, Urt. v. 07.07.2023 - 34 C 126/22
zum Thema: Mietrecht

(aus: Ausgabe 12/2023)

Antrag abgelehnt: Kein quotenloser Erbschein, wenn die Erbquoten den eindeutigen Erben zugeordnet werden können

Sind mehrere Erben vorhanden, ist auf Antrag ein gemeinschaftlicher Erbschein zu erteilen. In dem Antrag sind die Erben und ihre Erbteile anzugeben. Erforderlich ist dies dann nicht, wenn alle Antragsteller in dem Antrag auf die Aufnahme der Erbteile in dem Erbschein verzichten. Diese gesetzliche Regelung war Gegenstand eines Rechtsstreits vor dem Oberlandesgericht Celle (OLG).

Sind mehrere Erben vorhanden, ist auf Antrag ein gemeinschaftlicher Erbschein zu erteilen. In dem Antrag sind die Erben und ihre Erbteile anzugeben. Erforderlich ist dies dann nicht, wenn alle Antragsteller in dem Antrag auf die Aufnahme der Erbteile in dem Erbschein verzichten. Diese gesetzliche Regelung war Gegenstand eines Rechtsstreits vor dem Oberlandesgericht Celle (OLG).

Der im Jahr 2021 verstorbene Erblasser war verwitwet und hatte keine Kinder hinterlassen. In zwei testamentarischen Verfügungen hatte der notariell beratene Erblasser ausdrücklich zwischen Erben und Vermächtnisnehmern unterschieden und für die insgesamt zehn Erben eindeutige Erbquoten festgelegt. Einer der Miterben beantragte die Erteilung eines quotenlosen Erbscheins, was sowohl das Amtsgericht als auch letztlich das OLG ablehnten.

Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung, auf die Aufnahme der Erbquoten in dem zu erteilenden Erbschein zu verzichten, ist es, die einfache Erteilung eines Erbscheins in den Fällen zu ermöglichen, in denen die Bestimmung der Erbquoten mit weiterem Aufwand verbunden wäre. Können die Erben aber eindeutig und zweifelsfrei bestimmt werden und diesen entsprechende Erbquoten zugeordnet werden, besteht kein Grund, auf die Angabe der Quoten zu verzichten.

Hinweis: Es ist erforderlich, dass alle Antragsteller - also alle Miterben - auf die Aufnahme der Erbquoten in den Erbschein verzichten.


Quelle: OLG Celle, Beschl. v. 23.10.2023 - 6 W 116/23
zum Thema: Erbrecht

(aus: Ausgabe 12/2023)

Vermögen beider Elternteile: Geschäftswert für die Beurkundung eines Pflichtteilsverzichtsvertrags

Gelegentlich schaffen es auch Streitigkeiten über Geschäftswerte bis zum Bundesgerichtshof (BGH). Die dort entschiedene Frage spielt in der Praxis eine beachtliche Rolle, weil bislang Uneinigkeit darüber bestanden hat, auf welcher Grundlage die Kosten für die Beurkundung eines Pflichtteilsverzichtsvertrags zu bemessen sind.

Gelegentlich schaffen es auch Streitigkeiten über Geschäftswerte bis zum Bundesgerichtshof (BGH). Die dort entschiedene Frage spielt in der Praxis eine beachtliche Rolle, weil bislang Uneinigkeit darüber bestanden hat, auf welcher Grundlage die Kosten für die Beurkundung eines Pflichtteilsverzichtsvertrags zu bemessen sind.

Im Jahr 2017 beurkundete ein Notar einen Pflichtteilsverzicht der Kinder gegenüber dem Erstversterbenden der Eltern zugunsten des überlebenden Elternteils. In der Folge stellte der Notar seine Gebühren in Rechnung und ermittelte diese Gebühren anhand des Vermögens nur eines Elternteils. Da Notare ein öffentliches Amt ausüben, unterliegen diese Gebührenabrechnungen auch einer Überprüfung durch die Notarkasse. Und diese war hier der Ansicht, für den Wert des Pflichtteilsverzichts sei das Vermögen beider Elternteile zu berücksichtigen. Nachdem das Landgericht München noch der Ansicht war, das Vermögen beider Elternteile müsse für die Ermittlung des Geschäftswerts zugrunde gelegt werden, hob das Oberlandesgericht diese Entscheidung zunächst auf.

Der BGH stellte nunmehr aber klar, dass in einer Konstellation, in der Kinder auf den Pflichtteilsanspruch zugunsten des überlebenden Elternteils verzichten, das Vermögen beider Erblasser zugrunde zu legen sei. Es handelte sich um zwei selbständige Pflichtteilsverzichtsverträge mit beiden Erblassern, weshalb nach den Regelungen für die Notarkosten die Werte beider Rechtsverhältnisse zusammengerechnet werden. Im Ergebnis war daher die vorgenommene Beurkundung für die Auftraggeber teurer als zunächst von dem Notar selbst in Rechnung gestellt.

Hinweis: Das Pflichtteilsrecht und der Pflichtteilsanspruch sind grundsätzlich voneinander zu unterscheiden. Der Pflichtteilsverzicht ist ein Rechtsgeschäft, das nur mit dem Erblasser zu dessen Lebzeiten abgeschlossen werden kann.


Quelle: BGH, Beschl. v. 11.10.2023 - IV ZB 26/22
zum Thema: Erbrecht

(aus: Ausgabe 12/2023)

Bindungswirkung des Ehegattentestaments: Weder nachträgliche Testamentsvollstreckung noch nachträgliche Abänderung von Voll- zu Vorerben

Wechselbezügliche Verfügungen im gemeinschaftlichen Ehegattentestament unterliegen grundsätzlich einer Bindungswirkung und können nach dem Tod des Erstversterbenden nicht einseitig abgeändert werden. Deshalb bleibt auch dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) keine andere Möglichkeit, als auf die Einhaltung der von beiden Erblassern gemeinsam getroffenen Vereinbarung zu bestehen.

Wechselbezügliche Verfügungen im gemeinschaftlichen Ehegattentestament unterliegen grundsätzlich einer Bindungswirkung und können nach dem Tod des Erstversterbenden nicht einseitig abgeändert werden. Deshalb bleibt auch dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) keine andere Möglichkeit, als auf die Einhaltung der von beiden Erblassern gemeinsam getroffenen Vereinbarung zu bestehen.

Die Eheleute hatten im Jahr 1974 ein handschriftliches gemeinschaftliches Testament aufgesetzt und sich darin wechselseitig zu Alleinerben eingesetzt - mit der Maßgabe, dass der Überlebende unbeschränkt und frei über das gemeinsame Vermögen verfügen dürfe. Der Überlebende wurde verpflichtet, den gesamten Nachlass an die zwei gemeinsamen Kinder (Tochter und Sohn) weiterzuvererben, was die Verfügungsfreiheit des Überlebenden über den Nachlass nicht berühren sollte. Ebenso enthielt das Testament eine Regelung für den Fall der Wiederverheiratung des Überlebenden sowie eine Pflichtteilsstrafklausel im Hinblick auf die beiden Kinder, von denen der Sohn aufgrund einer Behinderung unter gesetzlicher Betreuung stand.

Nach dem Tod des Ehemanns errichtete die Erblasserin im Jahr 2015 ein notarielles Testament, in dem sie ihre Kinder zu Erben berief. Maßgabe darin war, das ihr Sohn zum befreiten Vorerben und dessen Kinder nach seinem Tod zum Nacherben bestimmt werden. Zugleich ordnete sie eine Dauertestamentsvollstreckung an und bestimmte ihre Tochter zur Testamentsvollstreckerin. Es sollte damit sichergestellt werden, dass der Sohn einen angemessenen Lebensstandard über dem Sozialhilfeniveau erhält.

Der Betreuer des Sohns war aber der Ansicht, dass die Beschränkung auf eine Vor- und Nacherbschaft sowie die Einrichtung einer Dauertestamentsvollstreckung wegen Verstoßes gegen die Bindungswirkung des Testaments aus dem Jahr 1974 unwirksam sei. Dieser Ansicht schloss sich im Ergebnis auch das OLG an. Die Auslegung des Testaments ergab, dass die Verpflichtung des Überlebenden zur Weitergabe des ihm angefallenen Erbes als Einsetzung der Kinder als gemeinsame Erben des Letztverstorbenen auszulegen war. Ist in einem gemeinschaftlichen Testament durch eine solche wechselbezügliche Verfügung ein unbeschränkter Erbe eingesetzt worden, stellt die Anordnung einer Testamentsvollstreckung ebenso eine beeinträchtigende Verfügung dar wie die Abänderung von einem Vollerben zu einem bloßen Vorerben. Aus diesem Grund war die im Jahr 2015 getroffene Anordnung unwirksam.

Hinweis: Die Einsetzung eines behinderten Kindes als Vorerbe unter Beteiligung eines engen Verwandten als Testamentsvollstrecker mit der Aufgabe, die dem Vorerben zustehenden Mittel der Erbschaft in einer Weise zu verwenden, dass sie dem Zugriff des Sozialhilfeträgers entzogen werden, entspricht der üblichen Gestaltungspraxis und ist in der Rechtsprechung als zulässig anerkannt.


Quelle: OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 23.10.2023 - 21 W 69/23
zum Thema: Erbrecht

(aus: Ausgabe 12/2023)